Interview mit einer Fotografin

Geschlecht: weiblich
Arbeitet als: freiberufliche Fotografin
Alter: 35 Jahre

1. Wann wussten Sie, dass Sie einmal diesen Beruf ergreifen würden?

Ziemlich spät, eigentlich erst, nachdem ich mit Anfang 20 ein Praktikum gemacht hatte.

2. Wie verlief die Ausbildung?

Nach der Schule habe ich erst mal einen anderen Weg eingeschlagen. Ich wollte immer gern etwas Soziales machen, also habe ich ein freiwilliges soziales Jahr in einem Heim für Behinderte gemacht und anschließend noch ein Jahr lang dort gearbeitet. Dabei habe ich gemerkt, dass es mir viel ausmacht und ich nicht so gut Abstand zu den Problemen gewinnen kann, so dass ich immer ziemlich fertig war. Dann habe ich eine Zeit lang Tiermedizin studiert, weil ich immer schon Tiere sehr gern hatte, aber das Studium hat mir nicht gefallen. Also habe ich etwas ganz anderes gesucht und ein Jahr lang ein Praktikum bei einem Fotografen gemacht. Dort habe ich sehr viel über das Handwerk gelernt und konnte eigene Erfahrungen sammeln. Mir gefiel das kreative Arbeiten, die Idee, etwas mit visuellen Mitteln auszudrücken und meinen Blick auf die Welt im Bild mitzuteilen. So habe ich mich für ein Studium Fotografie entschieden. Ich habe in München an der Kunstakademie studiert. Studieninhalte waren Landschaftsfotografie, Portraitfotografie, Werbung, Bildjournalismus, Grafikdesign, Homepage, Film, Jura und Medienrecht und noch manches andere. Anschließend habe ich noch mehrere Weiterbildungs- bzw. Meisterkursstudien belegt.

3. Welche Inhalte oder Themen haben Ihnen in der Ausbildung, vorher in Schule und Freizeit und jetzt im Beruf besonders viel Spaß gemacht?

  • Schule/Freizeit: lesen
  • Ausbildung: handwerkliche Themen, mit anderen zusammen sein, die das gleiche Interesse haben – Beruf: Menschen treffen, Geschichten kennen lernen

 4. Wo arbeiten Sie momentan? 

Ich bin freiberufliche Fotografin, d.h. ich arbeite an Orten und zu Zeiten, die von meinen Aufträgen abhängen.

5. Wie verläuft ein typischer Arbeitstag?

So richtig typische Arbeitstage gibt es eher nicht. Normalerweise gehören Emailslesen und Recherche, Abrechnungen, Steuern, Bewerbungen schreiben zu den wiederkehrenden Tätigkeiten. Wenn ich Aufträge habe, kann es sein, dass ich einen ganzen Tag oder länger unterwegs bin, oder auch einen kurzen Termin habe, der dann viel organisatorische Vorbereitung verlangt. Als freie Fotografin muss man sich selbst um Aufträge bemühen. Dazu verschickt man sein Portfolio an Redaktionen von Zeitschriften und hofft, dass man engagiert wird. Ich bin am liebsten Portraitfotografin. Bekomme ich den Auftrag, einen Menschen zu fotografieren, ist besonders viel Einfühlungsvermögen gefragt. Dabei ist es für mich egal, ob es sich um Prominente handelt oder um Menschen, die in besonderer Weise tüchtig oder bemerkenswert sind. Ich bereite mich auf die Person vor, versuche, mich einzustellen und zugleich für die Situation, die entsteht ganz offen zu bleiben. Ich muss es schaffen (manchmal in sehr kurzer Zeit), dass der Mensch sich wohl fühlt und zeigen möchte. Zugleich ist es wichtig, sehr klare Anweisungen geben zu können, damit das Bild so wird, wie ich es mir vorstelle. Mir gefällt die Arbeit mit Menschen sehr, besonders weil es allein auf meinen Blick einerseits und mein Verständnis für den anderen andererseits ankommt und ich selbst als Person völlig in den Hintergrund treten kann. Manchmal gibt es auch eher politische Aufträge z.B. eine Fotoserie über sterbende Dörfer in Mecklenburg-Vorpommern. Auch das erfordert inhaltliche und organisatorische Vorarbeit. Oft sind es auch kleinere Sachen, etwa ein Foto zu einem bestimmten Thema oder als Illustration zu einem Bericht. Dabei ist manchmal ganz viel vorgegeben (Gegenstände, Kulissen), manchmal gibt es nur einen Satz oder eine Überschrift und ich kann meiner Fantasie freien Lauf lassen (z.B. „Hitze in den Stadt“). In beiden Fällen nimmt das reine Fotografieren den kleinsten Raum der Arbeit ein. Man bietet den Redaktionen in der Regel mehrere Fotos zur Auswahl an, denn letzten Endes ist es die Entscheidung des Redakteurs, welches Foto zum Text oder zur Aussage der Zeitschrift am besten passt. Ein typisches Merkmal ist es vielleicht noch, dass ich immer den Wetterbericht im Kopf habe, um zum richtigen Zeitpunkt Bilder machen zu können.

6. Gibt es Routine in Ihrem Beruf? Wenn ja, worin besteht sie?

Vor allem in den buchhalterischen Sachen, Steuern, Recherche, Verwaltung usw.

7. Wie viel Zeit verbringen Sie mit welchen Tätigkeiten?

  • am Schreibtisch/PC 30%
  • am Telefon: 5%
  • unterwegs: 50%
  • mit anderen Menschen: 15%
  • mit Vorbereitung/Recherche/Literatur: s. Schreibtisch
  • im Labor/Werkstätten: 0%

8. Was ist besonders toll an Ihrem Beruf?

Etwas Kreatives machen zu können, frei zu sein, eigene Ideen und Projekte zu realisieren, sich immer wieder auf Neues einlassen, das zu tun, was mir Freude macht, keinen Strukturen folgen zu müssen.

9. Was gefällt Ihnen nicht so gut?

Neigung zum workaholic, weil man ja selbst und ständig arbeiten muss, und Angst vor Verlust hat; unangenehm ist die ständige finanzielle Unsicherheit, Abhängigkeit von Redaktionen/Aufträgen.

10. Was würden Sie anderen Menschen raten, die Ihren Beruf ergreifen wollen?

Unbedingt ein längerfristiges Praktikum machen und einen zweiten Beruf lernen, mit dem man sich notfalls finanziell über Wasser halten kann.