Grey´s Anatomy in Realität? Alternative Zugänge zum Medizinstudiengang

Medizin ist für viele nicht nur wegen Dr. House, Grey´s Anatomy und Co. ein Traumstudium. Allein in Deutschland konkurrieren jährlich mehr als 40.000 Studienbewerber um etwa 9.000 Studienplätze. Kein Wunder, dass das Interesse an alternativen Zugangsmöglichkeiten enorm ist. Der Beitrag gibt Antworten, wie sich der Wunsch nach in einem Medizinstudium ohne NC oder einem Medizinstudium ohne Wartezeit auch mit einem schlechteren Abischnitt erfüllen lässt.

Rasmus, Sofia und Karl haben gestern ihre letzte Abiturklausur geschrieben. Alle drei sind achtzehn Jahre alt, alle drei haben ein G8-Gymnasium besucht und alle drei möchten zum Wintersemester Medizin studieren. Allerdings bringen sie bei allen Gemeinsamkeiten ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit: Rasmus ist ein Einserkandidat, das Lernen ist ihm leichtgefallen, und er ist sehr ehrgeizig. Sein Abischnitt wird sehr gut sein, wenn alles gut läuft, erreicht er den Traumschnitt von 1,0. Er möchte Medizin studieren und gerne in die Forschung gehen: „Da gibt es noch so viel zu tun!“

Sofia ist die Tochter eines gebürtigen Griechen und einer Deutschen. Sie ist gut in der Schule, und auch ihr Abischnitt wird voraussichtlich zwischen 1 und 2 liegen, aber sie hat auch viele Hobbies, die ihr wichtig sind. „Da blieb nicht immer ganz so viel Zeit für die Schule“, sagt sie und lacht unbekümmert. Sofia möchte Ärztin werden, am liebsten Kinderärztin oder Chirurgin, das weiß sie noch nicht so genau.

Karl ist ein zurückhaltender Schüler, ihm sind die Fremdsprachen nicht so leichtgefallen und das Diskutieren über literarische Texte auch nicht. Den Lehrern war er oft zu ruhig, und obwohl er in den naturwissenschaftlichen Fächern sehr gut ist, wird er wohl eher einen mittelmäßigen Abischnitt haben. Aber er ist seit Jahren beim Roten Kreuz aktiv, hat eine Ausbildung als Rettungsassistent und darf seit kurzem auch manchmal mit dem Notarzt mitfahren. Nebenbei jobbt er in einem Pflegeheim. Arzt will er werden, weil er dann das Gefühl hat, „dass ich den Menschen wirklich helfen kann“.

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Bewerbung über Hochschulstart Medizin

Alle drei werden sich bis zum 15. Juli auf der Internetseite hochschulstart.de für den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengang Medizin bewerben. Hier werden über das Portal AntOn (das steht für Antrag Online) die Studienplätze über drei Quoten vergeben: Abiturnote, Wartezeit und individuelle Auswahlverfahren der Hochschulen. Dabei dürfen jedes Mal bis zu sechs Studienorte als Ortspräferenzen angeben werden.

Die ersten 20 Prozent der Studienplätze gehen an die Bewerber mit den besten Abiturnoten, in nach Bundesland getrennten Ranglisten.

Rasmus wird hier gute Chancen haben, sein Medizinstudium ohne Wartezeit aufzunehmen. Aber sicher kann er sich nicht sein, bereits auf diesem Wege einen Studienplatz an seiner Wunsch-Uni zu bekommen: Sogar in diesem Bereich ist die Konkurrenz groß und die Anzahl der Studienplätze schlicht begrenzt. Die Bewerbung ist ohnehin eine Wissenschaft für sich. So muss man die Ortspräferenzen klug wählen, um seine Chancen auf einen Medizinstudienplatz nicht zu gefährden.

Diagramm: Zulassungsquoten Medizin

Diagramm: Zulassungsquoten Medizin

Lange Wartezeiten sind keine sinnvolle Alternative

Wer hier leer ausgeht, hat vielleicht über die Wartezeitquote eine Chance, mit der weitere 20 Prozent der Studienplätze verteilt werden. Die Wartezeit umfasst die Anzahl der Halbjahre, die seit dem Erwerb des Abiturs verstrichen sind und in denen man nicht an einer deutschen Hochschule eingeschrieben war. (Im vergangenen Wintersemester brauchte man übrigens mindestens 14 Halbjahre, um in der Quote berücksichtigt zu werden!) Innerhalb einer Gruppe mit gleicher Wartezeit werden die Bewerber anhand weiterer Kriterien wie etwa ihrer Abiturnote sortiert. Bedenken sollte man bei einer solch langen Wartezeit zweierlei: Zum einen erfolgt der Berufseinstieg aufgrund der langen Studienzeit und der anschließenden Ausbildung zum Facharzt ohnehin sehr spät. Zum anderen kann man nie ganz sicher sein, ob einem die Anforderungen des Studiums wirklich liegen. Sich nach so langer Zeit des Wartens noch einmal umzuorientieren, ist in der Regel sehr schwierig.

Die meisten Studienplätze, nämlich 60 Prozent, werden schließlich über die Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) verteilt. Nur wer in der Abiturbesten- und Wartezeitquote leer ausgegangen ist, kann am weiteren Verfahren teilnehmen und hat Chancen über die AdH. Hier werden andere Kriterien als ausschließlich die Abiturnote für die Auswahl wirksam: meist wird ein fachspezifischer Test verlangt, oft auch ein Motivationsschreiben und / oder ein persönliches Auswahlgespräch. Auch eine abgeschlossene Berufsausbildung kann sich positiv auswirken. Rasmus, der seiner Freundin wegen gern in Norddeutschland studieren möchte, hat sich erkundigt: In Lübeck wird vor allem Wert auf das Auswahlgespräch gelegt, das im WS 2008/09 eingeführt wurde. Neben der Idee, den Zugang zum Medizinstudium auch denjenigen zu ermöglichen, deren Abischnitt nicht im Einserbereich liegt, war dabei vor allem der Gedanke wirksam, die Studierenden über den persönlichen stärker an die Universität zu binden – und ein überraschender Nebeneffekt war, dass dies auch umgekehrt funktioniert: Die Mitglieder der Auswahlkommission zeigten großes Interesse am weiteren Werdegang der ihnen vorgeschlagenen Kandidaten.

Mit dem Medizinertest den Abischnitt verbessern

In Hamburg wiederum gilt ein anderes, nämlich das „Hamburger Auswahlverfahren für medizinische Studiengänge (HAM-Nat)“, zu dem ein umfangreicher Test in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie und Biologie gehört. Das gleiche Verfahren nutzen übrigens auch die Uni Magdeburg und die Berliner Charité. Wer in diesem Test sehr gut abschneidet, braucht nicht mehr ins Auswahlgespräch, sondern kann den praxisnahen Modellstudiengang iMED gleich antreten: vier Jahre, in drei Abschnitte unterteilt, studiert und lernt der Bewerber in enger Verzahnung von Theorie und Praxis alles für den medizinischen Beruf Relevante.

An weiteren 21 Hochschulen kann man mit dem Medizinertest den eigenen Abischnitt verbessern. Zu viel erwarten sollten man allerdings nicht. Bei einem sehr guten Resultat verbessert sich der Schnitt um 0,6 bis 0,8 Notenpunkte. Bei einem Abschnitt von 3,3 werden damit die Chancen auf einen Platz auch nicht wirklich größer.

Zahlreiche Alternativen für ein Medizinstudium ohne Wartesemester

Sofia rechnet sich bei der zentralen Studienplatzvergabe wenig Chancen aus, aber das stört sie nicht. Sie will eigentlich sowieso nicht in Deutschland studieren: „Europaweit werden die staatlichen Abschlüsse in Medizin eigentlich überall anerkannt“, sagt sie, „da wäre es doch schade, immer nur an einem Ort zu bleiben.“ Österreich und die Schweiz, die wegen der sprachlichen Nähe zu Deutschland und des fehlenden NCs bei vielen deutschen Abiturienten beliebt sind, reizen sie gar nicht. Für ein Medizinstudium in Österreich gilt eine Quotenregel, nur 20% der Studienplätze werden an EU-Bürger vergeben, und an allen vier relevanten Universitäten gibt es Eingangstests, im Falle Salzburgs sogar ein dreistufiges Auswahlverfahren. In der Schweiz gibt es einen zentralen Test, Studienplätze werden jedoch überhaupt nur an Bewerber vergeben, die einen Wohnsitz in der Schweiz haben.

Medizinstudium ohne NC in den Niederlanden und England

Die Niederlande, wo es gleichfalls keine NC-Hürde und nur geringe Sprachschwierigkeiten gibt, weil Studiengänge auf Englischangeboten werden und das Niederländische überdies für Deutsche relativ leicht zu erlernen ist, reizen Sofia auch nicht. Sie weiß, dass sie über das dort gängige Numerus Fixus-Verfahren für einen Studienplatz im Fach Medizin ganz gute Chancen hätte, und sie weiß auch um die hervorragende Qualität der dortigen Lehre und Forschung. „PBL“, das Konzept des problemorientierten, d.h. Praxisnahen und eigenständigen Lernens in kleinen Gruppen in enger und konstruktiver Rücksprache mit einem Dozenten, findet sie toll, aber sie müsste viele Fächer nacharbeiten, die niederländische Bewerber im Abitur haben und deren Kenntnisse ausländische Bewerber in speziellen Tests nachweisen müssen, um an der Studienplatzvergabe über das Numerus Fixus-Verfahren teilnehmen zu dürfen. Dabei werden die Noten der Bewerber gerundet und in Verlosungsklassen eingeteilt; Deutsche landen aufgrund der Fächerkombinationen meist in Klasse C. Die Studiengebühren sind im Vergleich mit anderen europäischen Ländern günstig: Knapp 2000 Euro pro Studienjahr sind die Regel, aber je nach Erstwohnsitz kann die Hochschule ein Vielfaches dieser Summe vom Bewerber verlangen. Auch in Belgien bieten fünf Hochschulen Humanmedizin an, Studiensprache ist Französisch oder Niederländisch. Ein beliebig oft wiederholbarer Zulassungstest in Biologie, Chemie und Physik entscheidet über den Zugang. Ebenso wie für die belgischen Kommilitonen fallen Gebühren von etwa 500 bis 800 Euro pro Studienjahr an.

In England entscheidet jede Uni selbst über die Zulassungskriterien. Auch hier ist der Andrang an Bewerbern aus dem eigenen Land höher als die Anzahl der Studienplätze. Neben der Durchschnittsnote können Praktika oder ein Zivildienst im Krankenhaus eine Rolle spielen. Oxford, Cambridge und das University College London führen zudem einen Aufnahmetest, den BMAT, durch. An Studiengebühren dürfen die Hochschulen bis maximal 9.000 Pfund (rund 10.900 Euro) pro Jahr verlangen.

Attraktive Angebote für ein Medizinstudium in Osteuropa

Aber Sofia orientiert sich in einer ganz anderen Himmelsrichtung, nämlich nach Osten: Dort sind die Studiengebühren zwar oft noch höher und der Zulassungstest mindestens ebenso schwierig wie in den westeuropäischen Ländern, aber die Lehre ist hervorragend und die Motivation von Studenten wie Professoren ungemein groß. Ein guter Freund von ihr studiert in Budapest an der Semmelweis-Universität, die ein komplettes Studium auf Deutsch anbietet, ebenso wie die Universität Pécs (Fünfkirchen) in Ungarn. Über die Zulassung entscheiden an beiden Unis Einzelnoten in bestimmten Fächern. Auch hier fallen Studiengebühren von mehr als 10.000 Euro pro Studienjahr an, doch die Lebenshaltungskosten sind so niedrig, dass sich das „fast schon wieder ausgleicht“, hofft Sofia. Ein „Geheimtipp“ unter angehenden Medizinstudenten ist auch Rumänien: An der Uni im siebenbürgischen Cluj kann sie Medizin auf Englisch studieren, es gibt auch Angebote auf Rumänisch und Französisch, und die Uni ist in jeder Hinsicht auf dem neuesten Stand: Der Lehrkörper wird nach EU-Kriterien evaluiert, es gibt eine großzügig ausgestattete Bibliothek im Neubau, wo alle Studenten empfangen und von einer für ihren Jahrgang zuständigen Sekretärin sechs Jahre hindurch begleitet werden. Den Jungmedizinern soll eine „holistische Sicht“ der Medizin vermittelt werden, die Körper und Persönlichkeit des Patienten wahrnimmt. Das gefällt Sofia, und es lockt sie auch das vielfältige kulturelle Angebot der osteuropäischen Metropole, in der Menschen vieler Nationen zusammentreffen und ein vielfältiges Gemeinschafts- und Kulturleben prägen.

Geringe Chancen für einen Wechsel nach Deutschland während des Medizinstudiums

Einen Wechsel mitten im Studium, wie ihn manche Unis anbieten, zieht sie nicht in Betracht, denn sie ist gewarnt: Wer hofft, ein Medizinstudium im Ausland zu beginnen, um später als Quereinsteiger in Deutschland weitermachen zu können, der täuscht sich über seine Chancen. Neben der Anerkennung ist es schwierig, in den höheren Semestern überhaupt einen Studienplatz zu bekommen, der genau die Bereiche abdeckt, die einem fehlen. Sie weiß, dass manche deutsche Unis Kooperationen mit Hochschulen anbieten, so zum Beispiel die Karls-Universität in Prag, die mit dem Klinikum Chemnitz zusammenarbeitet. Deutschsprachige Studierende der Semmelweis-Universität Budapest können sich nach bestandenem Physikum für den klinischen Abschnitt an der Asklepios Medical School in Hamburg bewerben. Aber Sofias Sache ist das nicht. „Ganz oder gar nicht!“, sagt sie und lacht.

Medizin ohne NC in Deutschland studieren

Diagramm: Ausbildungsweg Medizinstudium

Diagramm: Ausbildungsweg Medizinstudium

Karl möchte nicht ins Ausland. Er hat vor Kurzem von der privaten, staatlich anerkannten Universität Witten/Herdecke gehört – neben der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane die einzige private Hochschule, die ein anerkanntes Medizinstudium anbietet – und wird sich dort bewerben. Einen NC gibt es nicht, dafür ein ausführliches Auswahlverfahren: Auf die Bewerbung mit Motivationsschreiben und der Bearbeitung einer von der Universität gestellten Aufgabe folgt im besten Falle eine Einladung zu den Auswahltagen. Hier muss ein zehnminütiger Vortrag zu einem allgemeinbildenden Thema gehalten und eine daran anschließende Diskussionsrunde geleitet werden; es folgen zwei weitere Gespräche mit Gutachtern der Universität. Karl ist aufgeregt vor dem Vortrag, aber weniger vor den Auswahlgesprächen, denn er weiß, dass es darin weniger um abrufbares Wissen als um die Motivation des Kandidaten geht – und motiviert ist er, sehr sogar. Auch deshalb möchte er nach Witten: Hier wird das problemorientierte Lernen praktiziert, der Praxisbezug spielt eine wichtige Rolle, und man arbeitet in Kleinstgruppen von sechs Studierenden eng zusammen. Das und die ohnehin relativ kleine Zahl von Studierenden – pro Jahr werden nur 42 neue Kandidaten aufgenommen – erzeugt eine private, fast familiäre Atmosphäre, die Karl anzieht. Der finanzielle Aspekt schreckt ihn wenig, obschon die Kosten pro Semester mit knapp 800 Euro nicht gering sind. Doch die Uni bietet drei Möglichkeiten der Finanzierung an: die monatliche Sofortzahlung, einen „umgekehrten Generationenvertrag“, im Rahmen dessen die Gebühren erst nach Eintritt ins Berufsleben entrichtet werden, oder eine Mischform.

Sollte es in Witten nicht klappen, wird Karl sich bei der Bundeswehr bewerben. Pro Jahr werden dort 220 Studienplätze für Humanmedizin für Sanitätsoffizier-Anwärter vergeben. „Sanitäter bin ich ja schon fast“, sagt Karl, „wenn auch bloß in Zivil.“ Aber er weiß um den hervorragenden Ruf des Studiums bei der Bundeswehr und kann sich gut vorstellen, dort im Sanitätsdienst im In- und Ausland tätig zu sein. „Schließlich will ich ja vor allem Menschen helfen“, sagt er. „Das geht schließlich überall.“

Rasmus, Sofia und Karl haben sich beraten lassen, um ihren Weg zum Wunschstudium zu finden. Angesichts von Dutzenden von Möglichkeiten und des hohen Konkurrenzdrucks wollte keiner von ihnen Zeit damit verschenken, auf Wartesemester zu setzen oder darauf, dass die Lösung vom Himmel fiel. „Deshalb bin ich zu Leuten gegangen, die sich damit auskennen“, sagt Sofia und lächelt verschmitzt. „Wenn ich krank bin, gehe ich ja schließlich auch zum Arzt.“

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