Meine Uni ist die beste – für mich!

Mit diesem Gefühl sollte jeder Studierende seine Alma Mater betrachten, an der der Weg zum Traumberuf beschritten wird. Der Ruf einer Uni, Hochschule,, Business-School oder jedweder anderer Institution sollte dabei eine untergordnete Rolle spielen.

Zunächst ist es notwendig, sich vorab genau zu informieren, welches Studienfach man an welchem Ort bzw. an welcher Einrichtung belegen kann und will. Auskunft geben die Internetseiten der Unis und Hochschulen, seriöse Berater (wie Nolten – Die Studien- und Berufsberater), Studierende, die man vielleicht zufällig kennt oder kennenlernt, wenn man sich vor Ort ein eigenes Bild machen will – oder auch Unirankings, die in langen Listen und nach mehr oder weniger transparenten Kriterien Hochschulen in Deutschland und im Ausland bewerten.

Begrenzte Aussagekraft von Hochschulrankings

Am prominentesten in Deutschland ist das CHE-Ranking, das seit 2005 alljährlich im ZEIT-Studienführer veröffentlicht wird. Bei diesem Ranking erscheinen alljährlich bestimmte Hochschulen mit speziellen Fächern auf den ersten Plätzen, und so entsteht schnell der Eindruck, dass man unbedingt hier sein Wohnheimzimmer suchen sollte, wenn man im harten Konkurrenzkampf um die begehrten Arbeitsplätze im Anschluss an das Studium bestehen will. Abgesehen davon, dass dies an sich schon ein Trugschluss ist – dazu gleich mehr! –, sei vor der Orientierung an Rankings bei der Studienplatzsuche grundsätzlich gewarnt. Das CHE-Ranking ist – wie alle anderen – umstritten: Hier werden zwar möglichst viele Hochschulen anhand bestimmter Kriterien verglichen und so bestimmte Werte als Vergleichsgrundlage ermittelt. Aber bereits die Kriterien an sich sind strittig. Mehr noch, in die Rankings fließen überhaupt nur die „großen“ Fächer ein – sollte man sich für ein kleines, ein sogenanntes „Orchideenfach“ interessieren, hilft ein Ranking meistens überhaupt nicht weiter. Einige Unis und Fachbereiche beteiligen sich an dem Ranking schon nicht mehr und fließen daher in den Vergleich auch nicht ein; und zusätzlich verzerrt wird das Bild durch die unausweichliche Zeitverzögerung: Verfügt ein Fachbereich in einem Jahr über eine Vielzahl hervorragender Professoren, bekommt vielleicht sogar ein (ehemaliger) Student einen Preis für eine wissenschaftliche Arbeit oder kann ein Forscher mit einer besonders verdienstvollen Erkenntnis punkten, dann sagt das nichts darüber aus, wie sich die Qualität der Lehre – das wichtigste Kriterium im Hinblick auf das spätere Berufsleben – im Folgejahr entwickeln wird. Überdies erscheint die Qualität der Lehre oft gar nicht als „Rankingkriterium“. Beim CHE-Ranking ist dies allenfalls die Betreuung durch Lehrende, die allerdings eher mit dem „Bauchgefühl“ der befragten Studierenden zu tun hat.

Leistung und Persönlichkeit und nicht der Ruf einer Uni zählen

Wer seine Uni danach aussuchen will, mit welchem Hochschulort er bei seiner Bewerbung am besten ankommt, der zäumt das Pferd vom Schwanz auf. Hervorragende Leistungen erzielt man nicht, weil die Uni im Ranking ganz oben steht, sondern weil man sich genau und sorgfältig den Standort ausgesucht hat, an dem die eigenen Interessen umgesetzt werden, weil man an seiner Hochschule die Angebote findet, die man immer schon wahrnehmen wollte, und weil man in einer Atmosphäre studiert, die konstruktiv, produktiv und persönlich bereichernd ist. Hervorragende Leistungen, sorgfältig gesetzte Schwerpunkte im Studium, dessen Dauer sowie eine überzeugende Persönlichkeit sind die Kriterien, nach denen ein Arbeitgeber seine Bewerber beurteilt und auswählt – an einer Hochschule mit hervorragendem Ruf studiert zu haben ist allein überhaupt kein Argument für weiter gehendes Interesse. Lediglich acht von hundert Arbeitgebern in Deutschland geben in einer Studie an, dass der Ruf einer Hochschule für sie besonders relevant sei – dabei geht es dann oft um speziell ausgerichtete oder besonders gut vernetzte Hochschulen. Dieser letzte Gesichtspunkt ist für Studierende viel interessanter als ein rein akademischer „guter Ruf“: Die Chance, schon während des Studiums potenzielle Arbeitgeber kennenzulernen und weiter reichende Kontakte aufzubauen, ist ein wirklicher Vorteil – aber das muss nicht von der Uni abhängen: Praktika, Messen, Forschungsarbeiten etc. bieten zahlreiche Möglichkeiten, bei interessanten Unternehmen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Damit daraus allerdings eine weit geöffnete Tür wird, muss der Bewerber wiederum durch Leistung und Persönlichkeit überzeugen, und das gelingt umso eher, je wohler man sich in seinem Umfeld fühlt und je passgenauer Studienfach und -inhalte auf die eigenen Bedarfe zugeschnitten sind. Wenn das gelingt, ist es mit der „besten Uni“ eben wirklich so wie mit der „schönsten Mutter“, die zu haben jeder kleine Junge lange überzeugt ist. Vermeintlich objektive Kriterien zählen da weitaus weniger als das subjektive Empfinden und die innere Beziehung – und die baut man nicht auf der Basis äußerer Einschätzungen auf.

Liebe auf den zweiten Blick

Klara, 25, hatte lange vorgehabt, an der renommierten Uni Mannheim zu studieren: „Das hatte ich mir schon in der Schulzeit ausgesucht wegen der hervorragenden Rankingergebnisse und der Möglichkeit, im Master Wirtschaftspsychologie studieren zu können.“ Deshalb hatte sie sich zunächst auch gar nicht die Mühe gemacht, nach Alternativen zu schauen. Erst als sie – trotz eines hervorragenden Abiturs mit 1,3 – den ersehnten Platz nicht bekam, stattdessen aber das Angebot, in Halle zu studieren, setzte sie sich mit der Möglichkeit einer Planänderung auseinander: „Ich bin erst mal hingefahren und hab mir die Uni angeguckt. Eigentlich war ich total skeptisch. So ein kleiner Ort, dachte ich, wie wollen die hier denn international wettbewerbsfähig sein; das kennt doch keiner. Aber dann hab ich ganz schnell Leute kennengelernt, die schon in verschiedenen Semestern waren. Alle waren unheimlich positiv, der Kontakt zu den Profs schien ganz eng, und jeder hatte so ein Spezialinteresse, für das er eine Forschungsgruppe hatte und einen Ansprechpartner. Ich hab mich dann noch in eine Vorlesung mit reingesetzt und war ganz beeindruckt von der tollen Stimmung, es war gar nicht so voll, und der Prof kannte die meisten mit Namen. Ich hab dann gedacht: Na ja, fang ich mal hier an, ich kann ja später immer noch wechseln.“ Der Gedanke kam allerdings nie mehr auf. Klara absolvierte ihr Studium mit Bestnoten, verbrachte zwei Auslandssemester an Partnerunis der kleinen Hochschule in Japan und in den USA und schrieb ihre Masterarbeit bei einem großen Unternehmen zum Thema Gefährdungsanalyse – „Das ist genau mein Ding.“ Nach dem Abschluss hat man ihr bei dem Unternehmen eine Stelle angeboten, gekoppelt mit der Möglichkeit zur Promotion.

„Das Einzige, was ich bereue“, sagt Klara heute, „ist, dass ich der Uni gegenüber zuerst so ungerecht war, nur weil sie beim Ranking gar nicht auftauchte. Heute weiß ich, dass die bewusst nicht mitmachen, und ich verstehe auch, weshalb. Man muss eben doch immer erst mal selber gucken, was das Richtige ist.“

Auf Umwegen zum Traumberuf

Auch für Luis, 29, war der Ruf seiner Uni bei der Studienortwahl entscheidend. Er hatte sich an einer renommierten Privatuni beworben und im harten Auswahlverfahren durchgesetzt – sehr zur Freude seiner Eltern, die die hohen Studiengebühren gern bezahlen wollten, denn „etwas Besseres können wir unserem Kind doch gar nicht bieten“. Obwohl bei der Studienberatung, die sie Luis zum Abitur geschenkt hatten, etwas ganz anderes herauskam, blieb Luis bei seinem Ziel, Jurist zu werden, und die Eltern waren sehr einverstanden, weil Jura „ja so vielfältig ist, damit kann man doch fast alles machen“ – aber eben auch nur fast alles.

Luis hat sich mit dem Studium schwergetan, nicht intellektuell, aber emotional. Die Hochschule, sagt er, sei wirklich toll, das Angebot großartig, die Professoren kompetent und der Zusammenhalt beeindruckend. Aber immer mehr wurde ihm im Laufe seines Studiums bewusst, dass er nicht nur kein wirkliches Interesse an der Juristerei hatte: „Man muss eine bestimmte Persönlichkeit entwickeln, um in dem Beruf erfolgreich zu sein. Allein das ist schon unheimlich wichtig: erfolgreich sein. Es gab jede Menge Angebote, wenn man mal versagte oder zugab, irgendwo Schwierigkeiten zu haben, von Tutorials über Extrakurse bis hin zu Persönlichkeitscoachings. Denn natürlich will die Hochschule ihren hervorragenden Ruf halten und keine Versager produzieren. Aber irgendwie kriegte ich immer mehr das Gefühl, dass ich mich als Versager dort wohler fühlen würde, mehr wie ich selbst.“

Luis hat das Studium zu Ende gebracht, auch aus Pflichtgefühl seinen Eltern gegenüber. Als verlorene Zeit betrachtet er es nicht: „Ich habe viel über mich selbst gelernt neben dem ganzen fachlichen Kram, der mir natürlich auch weiterhin helfen wird. Und ich habe unglaublich viele interessante Menschen kennengelernt, denn die Uni ist wirklich gut vernetzt und hat Kontakte in fast alle Lebensbereiche.“ So ist er auch auf seinen eigentlichen Traumberuf gekommen, in dem er jetzt arbeitet: Er ist Volontär beim Rundfunk geworden, arbeitet hauptsächlich bei einem Kultursender, für den er relativ selbstständig Reportagen und Features produziert. Die Vielfalt der Arbeit, die Selbstständigkeit und die Möglichkeit, seinen eigenen, sehr diversen Interessen nachzugehen, begeistern ihn, und er mag es, immer wieder mit neuen Menschen zusammenzukommen und sich ganz unbeeinflusst auf sie einzulassen: „Ich muss niemanden schon vorab als Klienten oder Gegner sehen, ich muss auch nicht auf Krampf nach Schwachstellen suchen oder mich selbst verkaufen. Die Menschen und die Projekte, über die ich berichte, versuche ich möglichst ganz zu erfassen – und da ist selten jemand oder etwas einfach bloß schwarz oder weiß.“ Was hatte denn eigentlich die Studienberatung empfohlen? Luis grinst. „Verrate ich nicht.“

Den eigenen Karriereweg finden und nicht Stereotype bedienen

Diejenigen jedenfalls, die in Unternehmen über Personalfragen entscheiden, fragen selten danach, an welcher Hochschule man studiert hat. Wenn überhaupt, so ist die Frage danach, warum jemand sich für die eine und nicht die andere Uni entschieden hat, interessant, sagt Maja Koch, die bei einem großen deutschen Industrieunternehmen als Chief Human Resources Officer (CHRO) arbeitet. „Leute, die dann sagen: Na ja, das ist doch die beste Hochschule in dem Bereich!, zeigen mir, dass sie sich nicht wirklich Gedanken gemacht haben. Wenn ich das Optimum für mich selber suche, kann das doch nicht das sein, was alle für das Beste halten.“ Personaler wie sie, sagt Maja Koch, suchen Bewerber aus, die reflektiert und kritisch sind, die Höchstleistungen bringen und Engagement zeigen – und die keine einfachen Lösungen nach Schema F bevorzugen, wenn es an komplizierte Fragen geht. Die Entscheidung über den eigenen Lebensweg – eng verbunden mit der Wahl von Studienfach und -ort – ist in der Tat eine solche komplizierte Frage, sehr kompliziert sogar. Natürlich kann man an eine Hochschule gehen, die gezielt mit bestimmten Unternehmen kooperiert, und natürlich ist es auch günstig, von personellen Vernetzungen profitieren zu können – weil der Dekan zugleich im Unternehmensvorstand sitzt oder der Professor Fortbildungen für Unternehmensmitarbeiter anbietet, weil feste Plätze für Master- und Doktorarbeiten für die Kooperationshochschule vorgehalten werden oder Ähnliches. „Aber da geht es nicht um den Ruf der Uni“, betont Maja Koch, „sondern um Überlegungen, wie ich mein Studium optimal ausrichte und das erreichen kann, was ich eigentlich will.“ Bewerber, die sich darauf verlassen, als XY-Alumni bevorzugt behandelt zu werden, holt sie gern schnell auf den Boden der Tatsachen zurück: „Jedem Arbeitgeber geht es darum, dass seine Leute etwas können und dass sie bereit sind, sich einzubringen. Mit Arroganz kommt da keiner weiter.“

Mit Selbstbewusstsein aber schon – wenn es sich auf das gute Gefühl gründet, das der beschrittene Weg genau der Richtige ist.