Interview mit einer Psychologischen Psychotherapeutin
Geschlecht: weiblich
Arbeitet als: psychologische Psychotherapeutin
Alter: 64 Jahre
1. Was macht eine psychologische Psychotherapeutin?
Ich arbeite als niedergelassene Therapeutin mit anderen Kolleginnen in einer Praxisgemeinschaft. Bei mir melden sich Menschen, die mit sich oder im Kontakt mit anderen Menschen Schwierigkeiten haben. Diese können sich im Verhalten oder aber auch in ihrer Haltung und Einstellungen äußern. In Gesprächen werden die Schwierigkeiten präzisiert und anschließend mit Hilfe von Experimenten, Imagninationen und kreativen Medien emotional vertieft. Ziel ist die Verletzungen, die den meisten Schwierigkeiten zugrunde liegen, zu heilen.
2. Wann wussten Sie, dass Sie einmal diesen Beruf ergreifen würden?
Während des Studiums bekam ich die Gelegenheit im Legasthenie-Zentrum mit Kindern, die Lese-Rechtschreibschwierigkeiten hatten, zu arbeiten. Die meisten der Kinder hatten neben der LRS psychische Probleme, die parallel zum LRS-Training bearbeitet werden mussten.
Die Arbeit mit den Kindern hat mir viel Spaß gemacht, auch wenn viele der Kinder aus Brennpunktfamilien kamen und bereits mit Leid konfrontiert waren, das für Kinder viel zu schwer zu tragen war. Schon während meines Studiums habe ich gemeinsam mit Kolleginnen versucht, in therapeutischen Verfahren Antwort auf die Probleme der Kinder zu finden.
3. Wie verlief die Ausbildung?
Nach einer Sinnkrise habe ich das Studium der Politologie und Slavistik beendet und mit dem Studium der Psychologie begonnen. Begleitend zum Studium arbeitete ich im Legasthenie-Zentrum mit den Kindern und belegte an der Uni Seminare zur Gesprächspsychotherapie – mit anschließender Weiterbildung in Gestalttherapie und Verhaltenstherapie.
Während meiner Diplomarbeit begann ich mich für ein postgraduierten Studium in London zu bewerben. Parallel dazu bewarb ich mich für eine Psychologenstelle im Gesundheitsamt. Ich erhielt sowohl die Stelle als auch das Studium. Mein Arbeitgeber stellte mich für ein Jahr frei und ich begann die klinische Ausbildung zum M.Phil. am Maudsley Hospital, University of London.
Nach meiner Rückkehr habe ich meine Arbeit wieder aufgenommen und nebenberuflich mit der Ausbildung zur Gestalttherapie begonnen. Dies endete nach 5 Jahren.
Nach 5jähriger Tätigkeit im Gesundheitsamt erhielt ich die Niederlassungsgenehmigung für den Bereich Verhaltenstherapie im Delegationsverfahren. Ich kündigte meine Stelle und arbeite seitdem selbständig in meiner Praxis.
4. Welche Inhalte oder Themen haben Ihnen in der Ausbildung, vorher in Schule und Freizeit und jetzt im Beruf besonders viel Spaß gemacht?
Bereits während meiner Schulzeit war ich politisch interessiert. Diskussionen über gesellschaftliche Phanomene sowie ihre individuellen Entsprechungen regten mich zum Nachdenken an. Diese Verbindung von gesellschaftlichen Verhältnissen und ihre Auswirkungen auf den Menschen konnte ich im Studium vertiefen. Weshalb ein Mensch unter den gegebenen individuellen Verhältnissen welche Überlebensstrategien entwickelt hat und wie er damit sein Leben gestaltet, hat mich schon immer interessiert.
5. Wo arbeiten Sie momentan?
Im Moment ist meine beruflicher Alltag zwischen der Arbeit in der Praxis und der Arbeit im Institut aufgeteit. An zwei Tagen arbeit ich als Lehrsupervisorin und Ausbildungsleiterin für Gruppentherapie im Institut für Verhaltenstherapie Berlin.
6. Wie verläuft ein typischer Arbeitstag?
In der Praxis sehe regelmäßig in stündlichem Abstand Patienten sowohl in Einzel- wie in Gruppentherapie. Meine Arbeit beginnt um 9 Uhr morgens. Mittags mache ich eine längere Pause und arbeite dann am Nachmittag bis in den Abend hinein.
Die anfallende Büroarbeit (Anträge schreiben, Anfragen von Kassen, BFA und Sozialgericht), Abrechnung u.a. Tätigkeiten mache ich entweder abends nach Praxisschluß oder am Wochen-ende.
7. Gibt es Routine in Ihrem Beruf? Wenn ja, worin besteht sie?
Abgesehen vom Schreiben der Anträge, der Dokumentation und anderen bürokratischen Arbeiten gibt es kaum Routine.
8. Was ist besonders toll an Ihrem Beruf?
Ich treffe immer wieder auf interessante Menschen, ihre Sicht vom Leben, eine Fülle von unterschiedlichen Erfahrungen. Ich kann meine Arbeit flexibel gestalten, kann unterschiedliche Rollen einnehmen und unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen.
9. Was gefällt Ihnen nicht so gut?
Am ärgerlichsten ist der Umgang der Kassenärztlichen Vereinigung mit unserem Honorar, Wir werden im Vergleich zu den Ärzten noch immer schlechter bezahlt. Die Kooperation mit den Ärzten ist weiterhin schwierig, was ich im Interesse der Patienten häufig schädlich finde.
10. Was würden Sie anderen Menschen raten, die Ihren Beruf ergreifen wollen?
Ich würde ihnen raten, sich genau zu überlegen, ob sie sich ein Leben lang mit sich auseinandersetzen wollen, ihre eigenen „Unzulänglichkeiten” aufzuspüren sowohl in der Arbeit mit den Patienten aber auch in der Kontrollsupervision oder Balintarbeit mit ihrer Beziehung zu den Patienten. Wesentlich finde ich eine intensive Lehrtherapie, in der die eigenen Blinden Flecke entdeckt werden und gleichzeitig die Erfahrung als Patient gemacht werden.
Daneben halte ich eine ausgeglichene Balance zwischen der Arbeit und der Freizeit für immens wichtig. Ohne eine erfüllte Freizeit besteht schnell die Gefahr des Ausbrennens.
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