…aber nun sind die Prüfungen blöd gelaufen und der Abischnitt ist doch nicht ganz so gut wie erhofft?

Kein Problem, es gibt Alternativen! Nicht erst seit sich das Vergabeverfahren für Studienplätze in Medizin in Deutschland geändert hat, kann man das Fach auch dann studieren, wenn es – vielleicht wegen Sport, Französisch oder Geographie – nicht ganz zur 1,0 gereicht hat. Zunächst einmal lohnt der Blick ins Ausland: Österreich und die Schweiz beispielsweise sind wegen der sprachlichen Nähe zu Deutschland bei deutschen Abiturient:innen recht beliebt; hier gibt es keine NCs.

Medizin  studieren in den europäischen Nachbarländern

Für ein Medizinstudium in Österreich gilt allerdings eine Quotenregel, nur 20% der Studienplätze werden an EU-Bürger vergeben. An allen vier relevanten Universitäten gibt es Eingangstests, im Falle Salzburgs sogar ein dreistufiges Auswahlverfahren. In der Schweiz wiederum gibt es einen zentralen Test für alle medizinischen Fakultäten, doch werden hier die Studienplätze ausschließlich an Bewerber vergeben, die einen Wohnsitz in der Schweiz haben. Einfacher ist der Zugang in den Niederlanden, wo es gleichfalls keine NC-Hürde und nur geringe Sprachschwierigkeiten gibt, weil Studiengänge auf Englisch angeboten werden und das Niederländische überdies für Deutsche relativ leicht zu erlernen ist. Hier gilt ein Numerus Fixus-Verfahren für den Studienplatz im Fach Medizin. Attraktiv wird das Studium in den Niederlanden überdies durch anerkanntermaßen hervorragende Qualität der dortigen Lehre und Forschung. „PBL“, das Konzept des problemorientierten, d.h. praxisnahen und eigenständigen Lernens in kleinen Gruppen in enger und konstruktiver Rücksprache mit einem Dozenten, hat sich als Lehr- und Lernmethode bewährt. Eine Einschränkung für deutsche Bewerber kann in dem Umstand liegen, dass die Niederländer andere Fächer als die Deutschen im Abitur haben. Ausländische Bewerber müssen deren Kenntnisse in speziellen Tests nachweisen, um an der Studienplatzvergabe über das Numerus Fixus-Verfahren teilnehmen zu dürfen. Die Studiengebühren sind im Vergleich mit anderen europäischen Ländern günstig: Knapp 2000 Euro pro Studienjahr sind die Regel, aber je nach Erstwohnsitz kann die Hochschule ein Vielfaches dieser Summe vom Bewerber verlangen. Auch in Belgien bieten fünf Hochschulen Humanmedizin an, Studiensprache ist Französisch oder Niederländisch. Ein beliebig oft wiederholbarer Zulassungstest in Biologie, Chemie und Physik entscheidet über den Zugang. Ebenso wie für die belgischen Kommilitonen fallen Gebühren von etwa 500 bis 800 Euro pro Studienjahr an.

Hohe Studiengebühren in Großbritannien

In England entscheidet jede Uni selbst über die Zulassungskriterien. Auch hier ist der Andrang an Bewerber:innen aus dem eigenen Land höher als die Anzahl der Studienplätze. Neben der Durchschnittsnote können Praktika oder ein Zivildienst im Krankenhaus eine Rolle spielen. Oxford, Cambridge und das University College London führen zudem einen Aufnahmetest, den BMAT, durch. Die offizielle Studiengebühr für Studenten aus dem europäischen Ausland beträgt 1125 Pfund pro Jahr. Jedoch haben die Universitäten in Großbritannien viel Handlungsfreiraum und können somit auch über die Höhe der Studiengebühren selbst entscheiden. In England gelten 9000 Pfund als Obergrenze für die Studiengebühren. Kaum eine Hochschule bietet Gebühren unterhalb von 6000 Pfund an.

“Geheimtipp” Rumänien

Es lohnt sich der Blick in die entgegengesetzte Himmelsrichtung, nämlich nach Osten: Dort sind die Studiengebühren zwar oft noch höher und der Zulassungstest mindestens ebenso schwierig wie in den westeuropäischen Ländern, aber die Lehre ist hervorragend und die Motivation von Studenten wie Professoren ungemein groß. In Budapest an der Semmelweis-Universität wird ein komplettes Studium auf Deutsch angeboten, ebenso wie an der Universität Pécs (Fünfkirchen) in Ungarn. Über die Zulassung entscheiden an beiden Unis Einzelnoten in bestimmten Fächern. Auch hier fallen Studiengebühren von mehr als 10.000 Euro pro Studienjahr an, doch die Lebenshaltungskosten sind so niedrig, dass sich das fast schon wieder ausgleicht. Ein „Geheimtipp“ unter angehenden Medizinstudenten ist Rumänien: An der Uni im siebenbürgischen Cluj kann man Medizin auf Englisch studieren, es gibt auch Angebote auf Rumänisch und Französisch, und die Uni ist in jeder Hinsicht auf dem neuesten Stand: Der Lehrkörper wird nach EU-Kriterien evaluiert, es gibt eine großzügig ausgestattete Bibliothek im Neubau, wo alle Studierenden empfangen und von einer für ihren Jahrgang zuständigen Person sechs Jahre hindurch begleitet werden. Den Jungmediziner:innen soll eine „holistische Sicht“ der Medizin vermittelt werden, die Körper und Persönlichkeit der Patient:innen wahrnimmt.

Quereinstieg in Deutschland

Wer indes hofft, ein Medizinstudium im Ausland zu beginnen, um später als Quereinsteiger:in in Deutschland weitermachen zu können, der täuscht sich über seine Chancen. Neben der Anerkennung ist es schwierig, in den höheren Semestern überhaupt einen Studienplatz zu bekommen, der genau die Bereiche abdeckt, die einem fehlen. Einige deutsche Unis bieten allerdings Kooperationen mit Hochschulen an, so zum Beispiel die Karls-Universität in Prag, die mit dem Klinikum Chemnitz zusammenarbeitet. Deutschsprachige Studierende der Semmelweis-Universität Budapest können sich nach bestandenem Physikum für den klinischen Abschnitt an der Asklepios Medical School in Hamburg bewerben.

Auch in Deutschland kann man den ärgerlichen NC allerdings umgehen, zum Beispiel durch die Bewerbung an einer von drei privaten Hochschulen, die staatlich anerkannte Medizinstudiengänge (nach deutschem Recht) anbieten: die Universität Witten/Herdecke, die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane sowie die Medical School. Einen NC gibt es dort nicht, dafür ein ausführliches Auswahlverfahren, bei dem es unter anderen um die Motivation der Kandidat:innen geht. In Witten wird das problemorientierte Lernen praktiziert, der Praxisbezug spielt eine wichtige Rolle, und man arbeitet in Kleinstgruppen von sechs Studierenden eng zusammen.

Eine weitere Alternative bietet das Studium bei der Bundeswehr. Pro Jahr werden dort 220 Studienplätze für Humanmedizin für Sanitätsoffizier-Anwärter:innen vergeben. Der Ruf des Studiums bei der Bundeswehr ist hervorragend und die Jobaussichten fast noch besser, denn man kann im Sanitätsdienst im In- und Ausland tätig sein. Natürlich ist das Studium daran gekoppelt, dass eine Dienstverpflichtung bei der Bundeswehr eigegangen wird – aber eben im Sanitäts-, nicht im Waffendienst.

Und wer nun gar nicht weg will, der kann sich immer noch auf das geänderte Bewerbungsverfahren in Deutschland einlassen, im Rahmen dessen die Bedeutung des Abischnitts deutlich herabgesetzt worden ist. Was geblieben ist, ist allerdings ein gewisses Ungleichgewicht: Immer noch kommen rund 45.000 hoffnungsvolle Bewerber:innen auf – nicht einmal 10.000 Studienplätze. Der Blick über den heimatlichen Tellerrand ist da schon vielversprechender.