Interview mit einer Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin

Geschlecht: weiblich

Beruf: Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin

Alter: 43 Jahre

1. Was macht eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin?

Als niedergelassene Ärztin mache ich in der Praxis Sprechstunde für Patienten im Alter von 0 – 18 Jahren. Ein Teil sind regelmäßig vorgesehene Vorsorgeuntersuchungen, bei denen die körperliche und psychische Entwicklung der Kinder beurteilt wird. Bei Auffälligkeiten oder Problemen schließt sich dann weitere Diagnostik und ggf. spezielle Förderung od. Therapie an und die Kinder werden zu den entsprechenden Spezialisten weitergeleitet. Neben den Vorsorgen gibt es die Sprechstunde für Kinder mit akuten Infektionskrankheiten oder Problemen. Oft begleitet man die Kinder und ihre Familien jahrelang.

Andere Kinder- und Jugendmediziner arbeiten in der Klinik in den unterschiedlichen Bereichen bzw. mit unterschiedlichen Schwerpunkten – von der Neonatologie (Neu- u. Frühgeborenenmedizin), Onkologie, Nephrologie, Kardiologie, Spezialsprechstunden für Endokrinologie, Diabetes, Stoffwechsel etc., im Gesundheitsamt/öffentlichen Dienst (Kitareihenuntersuchungen, Schuleingangsuntersuchung), in der Forschung (Labor). Die Tätigkeiten unterscheiden sich also sehr, je nach Einsatzbereich und Schwerpunkt.

2. Wann wussten Sie, dass Sie einmal diesen Beruf ergreifen würden?

Es war eigentlich schon immer ein Kindheitstraum von mir, Kinderärztin zu werden. Nach dem Abitur konnte ich mir ein Studium mit naturwissenschaftlichen Schwerpunkten zunächst nicht mehr vorstellen, sodass ich zunächst im Ausland war und ein anderes Studium (Kulturwissenschaft) begonnen habe, dann aber relativ schnell gemerkt habe, dass ich doch etwas “Handfesteres” im Alltag brauche und zu Humanmedizin gewechselt habe.

3. Wie verlief die Ausbildung?

Allgemein: Zunächst das Studium der Humanmedizin von insgesamt mindestens 6 Jahren. Die ersten zwei Jahre davon sind die vorklinischen Fächer wie u.a. Physik, Chemie, Biologie, Physiologie, Biochemie, Anatomie, Neuro-Anatomie, Histologie (Gewebelehre). Hier lernt man alles über den Aufbau und die Funktionen des (gesunden) Körpers. Weitere Fächer sind u.a. Terminologie (med. Fachbegriffe in latein/griechisch), ärztliche Gesprächsführung…. In den Semesterferien absolviert man ein Pflegepraktikum, falls noch nicht vorher erfolgt. Die Vorklinik ist recht lernintensiv und wird mit dem Physikum abgeschlossen. Dann folgen drei klinische Jahre in denen Fächer wie Pharmakologie, klinische Radiologie, Mikrobiologie, Infektiologie, medizinische Statistik etc. und alle Schwerpunkte der Medizin wie Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, Urologie, Orthopädie etc. Schwerpunkte bilden. Geprüft wird der Stoff neben den Scheinen für die Kurse mittels Staatsexamina. In den Semesterferien absolviert man die Famulaturen (= Praktika). Das letzte Jahr ist das Praktische Jahr (PJ), in dem man in Kliniken und/oder Praxen Praktika macht bzw. mitarbeitet. Abschluss ist dann das Staatsexamen zum Erhalt der Approbation als Arzt/Ärztin. Parallel zum klinischen Studium nach dem Physikum arbeiten viele Medizinstudent:innen an ihrer Dissertation, sammeln Daten oder führen Untersuchungen und Auswertungen dazu durch.

Nach dem Studium schließt sich dann meist die Facharztausbildung in dem gewählten Bereich an, währenddessen man als Assistenzarzt/-ärztin arbeitet und durch die verschiedenen Bereiche des Schwerpunktes rotiert. Diese dauert meist mindestens 5 Jahre, in Teilzeit länger. Abschluss ist dann die Facharztprüfung.

4. Welche Inhalte oder Themen haben Ihnen in der Ausbildung, vorher in Schule und Freizeit und jetzt im Beruf besonders viel Spaß gemacht?

Im Studium den Aufbau (Anatomie) und die Funktionsweise (Physiologie) des Körpers und Entstehung und Behandlung von Krankheiten kennen zu lernen war sehr interessant. Und natürlich mein späteres Fachgebiet die Kinder- und Jugendmedizin, in dem ich Famulaturen, einen Teil meines PJs und meine Dissertation gemacht habe. In der Schule haben mich vor allem die sprachlichen Fächer (ich war auch einige Zeit in England in der Schule) und künstlerischen Fächer – die in der Waldorfschule ohnehin Schwerpunkte bilden – interessiert, später auch Biologie. Neben der Schule war ich pferdebegeistert, habe Musik (Geige) und Freizeitsport (Reiten, Schwimmen, Tennis) gemacht und mich mit Freunden getroffen.

Im Beruf waren zunächst die Erfahrungen in der Neu- und Frühgeborenenmedizin und in der Allgemeinpädiatrie in der Klinik und den Notaufnahmen sehr interessant, herausfordernd und manchmal schockierend, da es ja auch teilweise um Leben und Tod geht und Fehler schnell fatal sein können. Aktuell gefällt mir im Beruf vor allem die Arbeit und der Kontakt mit Menschen und insbesondere Kindern, es ist kurzweilig und abwechslungsreich, oft herausfordernd und ein stetiges Lernen von Neuem. Außerdem gefällt mir, dass meine Tätigkeit sehr praktisch orientiert ist, und verschiedene Sinne (Sehen, Tasten, Hören) wie z.B. bei der körperlichen Untersuchung eines Kindes zum Einsatz kommen.

5. Wo arbeiten Sie momentan?

In einer Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendmedizin

6. Wie verläuft ein typischer Arbeitsalltag?

Da ich in Teilzeit arbeite habe ich nur an 2-3 Tagen die Woche Sprechstunde für jeweils sechs Stunden. Morgens sind oft Blutentnahmen, dann Vorsorgeuntersuchungen inkl. Impfungen, dann Akutsprechstunde, dann z.Zt. oft noch Coronaimpfungen. Danach noch Dokumentation/Abrechnung, Telefonate mit Patient:innen über Befunde oder sonstige Dinge. Zusätzlich kümmern wir uns als Selbständige um sämtliche Dinge, die die Organisation und den Praxisablauf betreffen, von Personal über Reinigung bis hin zur Besorgung von Schutzkleidung. Außerdem sind wir verpflichtet gelegentlich Wochenenddienste in den Kinderrettungsstellen und Impfdienste in Impfzentren zu übernehmen. In der “Freizeit” dann Fortbildungen und lesen von Fachliteratur zur Weiterbildung.

7. Gibt es Routine in Ihrem Beruf? Wenn ja, worin besteht sie?

Ja, gibt es. Der Ablauf der Sprechstunde, die Untersuchungstechniken in der Diagnostik, im Gespräch und der körperlichen Untersuchung haben eine gewisse Routine. Die Beratungsthemen und Fragen der Eltern wiederholen sich. Je nach dem in welchem Bereich man arbeitet unterscheiden sich die täglichen Routinen natürlich erheblich.

8. Wie viel Zeit verbringen Sie mit welchen Tätigkeiten?

Sprechstunde: 15 Std./Wo.; Dokumentation/Nachbearbeitung: 5 Std./Wo.; hinzu kommen noch Organisation und Finanzen.

9. Was ist besonders toll an Ihrem Beruf?

Mit Kindern zu arbeiten und Familien und Eltern zu beraten und beizustehen bei lebensnahen und teilweise substantiellen und sehr emotionalen Themen; sehr praktisch und “handfest” orientierter Beruf. Lebenslanges Lernen garantiert, da sich das medizinische Wissen ständig vermehrt.

10. Was gefällt Ihnen nicht so gut?

Früher: die Ausbildung (Pauken von viel Detailwissen mit unklarer Relevanz für den einzelnen Arzt bzw. Tätigkeitsbereich). Aktuell: Zeitdruck und dadurch Stress, teilweise das Gefühl nicht genug zu wissen und Gefühl der Überforderung. Wenig Supervision. Die Reglementierungen durch die Kassenärztliche Vereinigung; die Vorgaben u.a. in der Abrechnung sind kompliziert.

11. Was würden Sie gern anderen Menschen raten, die Ihren Beruf ergreifen wollen?

Sich im Vorfeld sehr genau zu überlegen, warum sie diesen Beruf ergreifen wollen bzw. was genau sie später machen wollen, und ob sich die aufwändige, oft stressige und zeitintensive Ausbildung dafür lohnt. Insgesamt ist der Arztberuf sehr weit gefasst und nach erfolgter Ausbildung gibt es viele verschiedene Möglichkeiten der Berufsausübung je nach Interessenslage.