Interview mit einer Fachärztin für Urologie

Geschlecht: weiblich

Beruf: Fachärztin für Urologie

Was macht eigentlich eine Urologin?

Der häufigste Irrtum über unseren Beruf ist, dass wir ausschließlich Männer behandeln. Das tun wir natürlich auch, aber ungefähr ein Drittel unserer Patienten sind Frauen und Kinder. Wir behandeln Erkrankungen, die zum Beispiel die Nieren, die Blase, aber eben natürlich auch Hoden, Penis und Prostata betreffen; bei Kindern sind die häufigeren Beschwerden zum Beispiel Vorhautverengungen oder Probleme beim Trockenwerden, bei Frauen Blasenentzündungen oder Probleme, den Urin zu halten, und Krebserkrankungen z.B. der Niere oder der Blase.

Wann wussten Sie, dass Sie einmal diesen Beruf ergreifen würden?

Ärztin wollte ich schon immer werden, seit ich ungefähr vier bin; da gab es gar keine Alternativen. Aber bei mir steckte gar keine große Geschichte dahinter, mich interessieren einfach die biochemischen Zusammenhänge und alles, was im Körper so los ist. Es ist vielleicht eher so eine wissenschaftliche Neugier als der Impuls gewesen, unbedingt Menschen helfen zu wollen. Dass das jetzt so einen großen Teil meines Berufes ausmacht und mir sogar fast am besten daran gefällt, ist natürlich sehr schön.

Für den Facharzt Urologie habe ich mich auf einem Umweg entschieden: Ich hatte die Weiterbildung zur Kinderärztin angefangen, aber das war mir zu wenig praktisch. Kinderärzte haben es ja im Regelfalle mit Problemen zu tun, die entweder ganz harmlos sind und fast von selber wieder in Ordnung kommen, oder mit richtig schlimmen Fällen, was dann sehr belastend sein kann. Auf der Kinderstation in Heidelberg, wo ich meine Facharztausbildung zur Kinderärztin begonnen hatte, kamen dann immer wieder die Urologen auf die Station, weil sie die Kinder operiert oder behandelt hatten, die dann bei uns weiter versorgt wurden. Das fand ich irgendwie ein handfesteres Feld, man konnte deutlichere Erfolge sehen. Deshalb habe ich dann doch noch gewechselt.

Wie verlief die Ausbildung?

Man studiert zunächst fünf Jahre allgemein Medizin, davon ein Teil vor dem Physikum, was das erste Nadelöhr ist, und einen etwas praktischer orientierten Teil danach. Dann kommt das Praktische Jahr, das man an einer oder mehreren Kliniken verbringen muss. Das geht übrigens auch im Ausland, ich habe ein Tertial in Davos verbracht, in einer Klinik direkt an der Skipiste. Wenn man schnell genug Mittag gegessen hat, konnte man dann in der Pause nochmal eine Runde auf die Piste. Für das chirurgische Tertial bin ich nach Irland gegangen, in die Nähe von Dublin. Das war zunächst ein bisschen schwierig, weil ich den irischen Dialekt überhaupt nicht verstanden habe. Aber Chirurgie ist ja eher etwas handwerklich, das ging dann schnell ganz gut.

Ich habe dann auch noch während des Studiums angefangen, an meiner Dissertation zu arbeiten. Deshalb habe ich noch ein Semester drangehängt, aber ich hatte dann zum 3. Staatsexamen schon meinen Doktortitel. Wenn man gleich nach dem Physikum anfängt und einigermaßen fleißig arbeitet, ist das, glaube ich, die beste Lösung, weil man sich die Arbeitszeit da noch am flexibelsten einteilen kann. Nachher, neben der praktischen Arbeit als Ärztin in der Klinik, wird das schwieriger.

Wo arbeiten Sie momentan, und wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Ich bin angestellte Ärztin in einer niedergelassenen Praxis und arbeite 20 Wochenstunden. Das lässt mir genug Zeit für meine drei Kinder, Mann, Hund und Pferd. Normalerweise überwiegen die Vorsorgetermine und die Versorgung von Patienten mit Langzeitproblemen; das macht so ungefähr zwei Drittel der Arbeitszeit aus. Es ist aber nie langweilig, denn jeder Patient kommt ja mit einer Geschichte, und auch bei der Vorsorge muss ich natürlich gut aufpassen, dass mir nichts entgeht. Zugleich sind diese Routinetermine kleine Verschnaufpausen, in denen ich meine Reserven auffüllen kann für die Begegnungen mit Patienten mit besonders schwerwiegenden Erkrankungen.

Was finden Sie an Ihrem Beruf besonders toll?

Wenn ich es schaffe, Menschen ein gutes Gefühl zu geben, egal mit welchen Diagnosen oder Krankheiten sie zu mir kommen. Auch wenn ich einen Tumor diagnostizieren muss, heißt das ja längst nicht, dass gleich alles vorbei ist. Ich bin sehr ehrlich mit meinen Patienten, aber es ist mir immer wichtig, ihnen Hoffnung zu geben und eine Perspektive. Das ist ein schönes Gefühl, wenn sie rausgehen und nicht völlig zerstört sind von der Diagnose, sondern sich in guten Händen fühlen und wissen, wir gehen das an, ich begleite sie dabei.

Gibt es etwas, dass Ihnen nicht so gut gefällt?

Nein, eigentlich nicht. Die Begegnungen mit den Patienten sind eigentlich fast immer schön. Aber die Bürokratie nimmt eben auch im Arztberuf deutlich zu, so dass man fast die gleiche Zeit, die man für die Patienten zur Verfügung hat, auch mit Dokumentation, Organisation und Abrechnung mit den Krankenkassen verbringt.

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der sich für Ihren Beruf interessiert?

Ich würde generell jedem raten, bei der Wahl eines Berufes mit vielen Leuten zu sprechen, die diesen Beruf ausüben, und sich alles mal anzugucken, bei einem Praktikum oder so. Das habe ich ja nun gerade nicht gemacht, insofern rate ich fast noch mehr dazu, Mut und Vertrauen zu den eigenen Neigungen zu haben – wenn mich etwas interessiert dann mache ich das eben, Schluss aus. Natürlich kann ich dann nach einer Weile feststellen, dass es nicht so hundertprozentig das Richtige ist, und dann gucke ich mich nach einem Plan B um. Den gibt es immer, man muss ihn nur finden. Ich habe ja auch noch mitten in der Facharztweiterbildung gewechselt, und das war gut so. Manchmal sind eben Umwege nötig, das ist dann kurz vielleicht mal eine blöde Zeit, aber wenn man dann letztlich da ankommt, wo man sein möchte, hat sich der Umweg eben doch gelohnt. Man muss sich auch mal trauen, etwas anders zu denken als geplant.