Interview mit Thorsten Petter, Gründer von plenigo GmbH

Was macht eigentlich ein Gründer?

Die Gründung eines Unternehmens ist ja eigentlich nur ein kleiner Schritt in der Mitte eines langen Prozesses. Am Anfang steht eine Idee: etwas anzubieten, das auf dem Markt fehlt. Wenn man so eine Idee hat, fängt man an, darüber nachzudenken, sich mit Freunden zu besprechen, die Idee zu verändern undsoweiter. Und dann kommt irgendwann der Punkt, an dem man es einfach macht und die Idee in die Tat umsetzt. Dann kommt eine lange Phase der Unsicherheit, meistens so ungefähr fünf Jahre. Erfahrungsgemäß geht von zehn Unternehmen, die neu gegründet werden, eines durch die Decke, zwei oder drei weitere schaffen es, sich am Markt zu halten, und der Rest geht wieder ein. Das weiß man aber nicht gleich, man muss ein bisschen aushalten und hart arbeiten. Gründer ist man also eigentlich nur ganz kurz und wird dann ganz schnell zum Unternehmer, der Kunden akquirieren muss, Aufträge einholen und abarbeiten, planen, wie es weitergehen soll, vielleicht Mitarbeiter einstellen und Aufgaben delegieren undsoweiter.

Wie viel Zeit des Tages verbringst du mit welchen Tätigkeiten?

Zeit? Immer zu wenig, vor allem zum Nachdenken, weil man ja immer sehr viel selber machen muss.  Egal wie viele Mitarbeiter man hat, man ist irgendwie immer „understaffed“ – es ist so selten jemand da, dem man genau diese Aufgabe in genau diesem Moment wirklich anvertrauen möchte.

Ganz grob würde ich sagen, 30 % des Tages investiere ich in die Betreuung der Kunden oder in die Aufgabe, welche zu beschaffen und zu binden. 30 % gehen in die Arbeit am Produkt und nochmal 30 ins Unternehmen selbst; da geht es darum, wo man was anpassen muss, welche Veränderungen sich ergeben, wo reagiert werden muss und solche Sachen. 10 % gehen in das, was mir eigentlich am wichtigsten ist, die Strategieentwicklung, also die Frage, wo wollen wir hin, wie wollen wir weitermachen?

Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag aus?

Der beginnt bei mir ungefähr um 4.30 Uhr. Da bin ich noch frisch und habe keine Termine, kann also ganz in Ruhe denken und arbeiten.  Ab 8.30 geht es dann meistens mit den Meetings los, ganz unterschiedlich, ob mit Kunden oder Mitarbeitern oder so. Ich gönne mir meistens eine richtige Mittagspause, aber die Meetings gehen dann noch weiter bis 18, 18.30. Danach sitze ich oft noch ein bisschen an meinen Mails und mache dann aber auch irgendwann Schluss.

Leute mit Familie drehen das oft um und legen das, was ich frühmorgens mache, in den Abend, wenn die Kinder im Bett sind, aber mir gefällt es andersrum besser, da bin ich noch frisch.

Ist Gründer – oder Unternehmer – überhaupt ein familienfreundlicher Beruf?

Aus meiner Perspektive eher nicht. Es ist vielleicht etwas anderes, wenn man ein bestehendes Unternehmen übernimmt, was schon seit Jahrzehnten läuft und feste Strukturen hat, dann mag das gehen. Aber wenn man etwas aufbaut und Erfolg haben will, dann ist das ein sehr, sehr zeitaufwändiger Job. Darüber sollte man sich schon klar sein, wenn man sich für diesen Weg entscheidet, und es braucht auch Partner oder Familie, die bereit sind, das mitzutragen. Ich arbeite zum Beispiel meistens auch im Urlaub, das fordert dann schon eine gewisse Toleranz.

Wahrscheinlich ist das auch er Grund, warum die meisten diesen Schritt ziemlich früh im Leben machen, also bevor Familie ein Thema wird. Ich bin in meinem Alter da eher eine Ausnahme, aber ich habe das Unternehmen ja auch schon vor einer ganzen Weile gegründet.

Wie bist du darauf gekommen, selbständiger Unternehmensgründer zu werden?

Schwierige Frage. Rückblickend habe ich eher das Gefühl, da irgendwie reingeschliddert zu sein. Ich glaube, es waren zwei Momente, die mich in diese Richtung gedrängt haben: Das erste war das Gefühl, in so einem engen Gefüge, als Mitarbeiter oder Angestellter, nicht richtig zu sein. Das war so ein Hamsterrad, fremdbestimmt, da wusste ich, das will ich eigentlich nicht. Der zweite Moment hat das nur verstärkt, da war die Gewissheit, dahin nie mehr zurück zu wollen, in diese Abhängigkeit. Da war aber auch schon ein anderes Selbstbewusstsein da und der Mut, etwas wagen zu wollen und zu können.

Gab es Inhalte in der Schule oder in der Ausbildung, die für deine beruflichen Werdegang eine besondere Rolle gespielt haben?

Null! Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Ich hab‘  BWL studiert und mich im Bereich Marketing engagiert, das war bestimmt schon irgendwie eine Grundlage. Aber letztlich ist das, was wir hier machen, ja keine Wissenschaft, sondern vor allem Praxis. Was man dafür braucht, lernt man, indem man es macht und sehr schnell feststellt, was läuft und was nicht. Rückblickend hätte es mir genützt, bessere Grundlagen im Bereich Informatik zu haben oder Technologie allgemein, also wirkliches Fachwissen in einem bestimmten Bereich.

Was ist das Tollste an deinem Beruf?

Die Erfahrung, Menschen hinter einer Idee zu versammeln und etwas auf die Beine zu stellen, das funktioniert. Das ist ein großartiges Erlebnis. Die Freiheit, selbst entscheiden zu können – das ist mir persönlich wichtig. Natürlich spielt auch der wirtschaftliche Erfolg eine Rolle, auch als eine Form der Selbstbestätigung, aber Geld ist kein Motivator an sich. Erfolg, in Form der Bestätigung durch Kunden, ist da stärker.

Gibt es etwas, was dir nicht so gut gefällt?

Es ist nicht immer einfach, mit Enttäuschungen umzugehen. Das betrifft zum Beispiel die Arbeit mit Kunden, die nicht immer einfach ist. Es gibt tolle Kunden, mit denen es richtig Spaß macht, aber es gibt eben auch die, die mäkeln, sich nicht entscheiden können, hier noch was wollen und da noch was. Das ist manchmal anstrengend, weil es unheimlich viel Zeit bindet und gelegentlich so einen Leerlauf produziert, also rückwirkend. Man hat ganz viel Zeit mit einem Kunden, einer Idee verbracht und dann wird es nichts – das kann frustrieren. Gleichzeitig lernt man am meisten von seinen schwierigsten Kunden. Es hilft manchmal, sich daran zu erinnern. Aber auch Mitarbeiter legen manchmal, sagen wir, überraschende Verhaltensweisen an den Tag.

Welchen Rat würdest du jemandem geben, der einen ähnlichen Weg gehen möchte?

Machen! Einfach machen. An sich und seine Idee glauben, aber nicht starr, sondern immer wieder hinterfragen und mit allen drüber reden, die man finden kann. Viele glauben, sie haben diese eine Idee, die könnte ihnen jemand wegnehmen, wenn sie davon erzählen. Das ist Quatsch. Die Herausforderung ist nicht, die einzigartige Idee zu haben, die Herausforderung ist viel mehr, sie in die Tat umzusetzen.

Aber wenn man überlegt, sich selbständig zu machen, sollte man sich schon fragen, ob man bestimmte Eigenschaften besitzt. Durchhaltevermögen zum Beispiel, nicht bloß über ein paar Stunden oder Tage, sondern Jahre.  Kunden und Investoren scheuen das Risiko, sie springen in den seltensten Fällen gleich auf eine neue Idee auf. Flexibilität ist wichtig; ich hab‘ ja schon gesagt, dass man sich immer wieder neu anpassen muss. Man landet mit so einer neuen Idee fast nie da, wo man hinwollte. Und man muss emotionale Schwankungen aushalten können; die Amplitude ist da gewaltig. Das ist nicht einfach, auch nicht für die Familie oder enge Freunde.

Du bist jetzt seit 20 Jahren im Geschäft. Wie wird es weitergehen? Welche Ziele hast du noch?

Wir hatten mit plenigo eine harte Startphase, sind aber inzwischen ein sehr relevanter Spieler. Diese Reise ist noch nicht zu Ende. Wir helfen einer wichtigen Branche dabei, sich sehr grundlegend zu erneuern. Diese Erneuerung ist notwendig, denn wir haben in den vergangenen Jahren auch gelernt, wie wichtig guter Journalismus für unsere Gesellschaft ist – und wir sehen es ganz aktuell wieder. Das, was wir tun, sichert die Finanzierung von Qualitätsjournalismus.

Dabei wünschen wir viel Glück – und dass es noch lange Spaß macht!

 

Hintergrund:

plenigo („Füllung“ in Esperanto) ist eine Cloud basierte Subscription Management Software Plattform (= ein Technologieunternehmen), über die moderne Verlage ihr Subscription Business (Abonnements) für Digital- und Printprodukte steuern. Die Software-as-a-Service Plattform enthält alle Funktionen, die Verlage benötigen, um erfolgreich digitale Geschäftsmodelle zu realisieren.

plenigo wurde 2013 von Maximilian Schweitzer und Thorsten Petter gegründet. Sitz des Unternehmens ist Kempten im Allgäu mit Niederlassungen in Hamburg, Berlin, Belgrad und Chicago. plenigo steuert das Abonnementgeschäft für Medienmarken wie den SPIEGEL, die FAZ, die SZ und zahlreiche weitere Verlage. In 2021 hat plengio mehr als 100 Mio EUR Umsatz für seine Kunden verwaltet.

Co-Founder Thorsten Petter hat nach Bankausbildung, BWL-Studium und Trainee Ausbildung bei General Electric / CompuNet als KeyAccount Manager gearbeitet, bevor er mit Partnern eine Internet Agentur gründete. Diese wurde 2008 an SinnerSchrader (heute Accenture) verkauft. Im Anschluss baute er mit einem Partner die Wissensmanagement Software Lösung SABIO zu einem der führenden Anbieter im deutschen Markt auf. Nach Verkauf und Umsiedelung von Hamburg nach München folgte 2013 die Gründung von plenigo.