Interview mit Philipp Hommelsheim, Gründer und Geschäftsführer

Was macht überhaupt ein Gründer?

Grundsätzlich ist ja die Frage, warum man überhaupt „Gründer“ sein oder werden möchte. Das können ganz verschiedene Motivationen sein: die finanzielle Freiheit, der Wunsch nach möglichst weitgehender Selbstbestimmung im Beruf, die Idee, die Welt – zumindest die Arbeitswelt – zu verändern, oder man will eben ein bestimmtes Problem lösen und hat dafür eine tolle Idee. Dann, glaube ich, muss man unterscheiden zwischen der klassischen Unternehmensgründung, wenn ich also ein materielles Produkt anbieten und verkaufen will, Brötchen oder Bücher oder so etwas, und dem Start-Up, unter dem ich immer ein digital skalierbares Geschäftsmodell verstehen würde, also ein Produkt mit großer Reichweite, das ich mit minimalen Grenzkosten nahezu weltweit vermarkten kann – eine App, zum Beispiel, oder eine Software. Also, ein Gründer folgt seiner Motivation, entwickelt eine Idee, macht sich mit formaljuristischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten vertraut und ja, gründet dann eben ein Unternehmen. So lief es jedenfalls bei mir.

Wie verlief denn deine Ausbildung?

Ich war noch beim BKA, als ich relativ spontan beschlossen habe, mich mit einer Gründung selbständig zu machen. Aus gegebenem Anlass hatte ich die Idee, eine App zu entwickeln, die helfen kann, zu verhindern, dass Menschen bei Verkehrsunfällen sterben, weil die Rettungskette zu spät in Gang gesetzt wird, zu lange dauert oder unterbrochen wird. Der Logarithmus erkennt, dass und was für ein Unfall stattgefunden habe, und setzt automatisch alles in Gang. Mit dem Projekt gab es Schwächen in der Vermarktung, deshalb haben wir das verkauft und gleich noch einmal gegründet – jetzt geht es um die Verhinderung von Verkehrsunfällen, wieder mit einer App.

Eine Ausbildung im Bereich Gründung habe ich nicht, ich habe noch während der Zeit beim BKA den Bachelor in Rechtswissenschaft und Kriminologie und dann einen Master in Risiko- und Sicherheitsmanagement gemacht. Das berührt sich inhaltlich nur am Rande, aber als ich mich entscheiden habe, zu gründen, kamen mehrere Dinge zusammen: Ich war mit meinem Beamtendasein unzufrieden, hatte diese Idee mit der App, bekam ein tolles Buch in die Hände („Kopf schlägt Kapital“ heißt es) und wurde zufällig aufmerksam auf einen Workshop zum Thema Gründung, wo man in 5 Tagen die Basics zum Thema BWL vermittelt bekam. Das war es dann auch schon mit der „Ausbildung“.

 Gab es ein Schulfach, das dich besonders begeistert hat und mit deiner Berufswahl etwas zu tun hatte?

Nein, letzteres nicht. Ich war ein ziemlich fauler Schüler, talentiert und auch neugierig, aber ohne große schulische Ambitionen. Da war auch von zuhause aus kein Druck, ich bin Erstakademiker, also der erste in meiner Familie, der studiert hat, und meinen Eltern war eigentlich alles Recht, was ich gemacht habe. Ich habe neben der Schule professionell Musik entwickelt, das lief gut und war mit wichtiger als manche Schulfächer, deren Lebensweltbezug für mich persönlich nicht so ersichtlich war. Gefallen hat mir Politikwissenschaft, das war auch mein Leistungskurs, weil es da eben keine exakten Antworten gibt, sondern nur gut argumentierte. Das passt vielleicht zu meinem Beruf, dieses ständige Abwägen, auch Wagen, Reagieren, anpassen. Nichts ist fest, man muss immer gucken, wie sich der Markt und die Gesellschaft entwickeln, damit das Produkt passt.

Was ist das Tollste an deinem Beruf?

Ich glaube, die Eigenständigkeit. Ich bin niemandem rechenschaftspflichtig, niemand stellt Erwartungen an mich, alles ist so ein bisschen diffus. Das kann zugleich auch ein großer Nachteil sein. Ich habe eben immer die Letztverantwortung, und das ist schön, kann aber auch belastend sein.

Wie sieht ein Arbeitstag aus?

Im Wesentlichen so, dass ich immer wieder rekallibrieren muss: Welche Aufgaben stehen an, was ist wichtig und dringlich, was muss ich selber machen, was kann warten. Es ist sehr viel Arbeit am Unternehmen, weniger im Unternehmen, das machen dann andere Leute. Mein Job ist im Wesentlichen, alle Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen; auch das ist etwas besonders Befriedigendes, wenn es dann klappt.

Einen großen Teil meiner Zeit muss ich auch mit Dingen verbringen, die ich nicht so mag – alles, was unter „Antragsdeutsch“ fällt: Geld, Ressourcen akquirieren, Fördermittel einholen, Anträge stellen. Da darf man dann nicht so viel nach dem Warum fragen, es muss einfach gemacht werden.

Zeitlich nehmen etwa 50% Tätigkeiten ein, die etwas mit Kommunikation zu tun haben: Meetings, Mails undsoweiter. Die anderen 50 % umfassen konzeptionelle Arbeit, Planung etc. Man kann das ein bisschen mit einem Piloten im Cockpit vergleichen: Das Flugzeug fliegt, aber ich muss vorne sitzen und immer wieder checken, ob die Richtung stimmt und gegebenenfalls etwas nachjustieren.

 Welchen Rat würdest du jemandem geben, der auch ein Unternehmen gründen will?

Man sollte sich gut selber kennen und vorher rausfinden, was man will. Mir hat geholfen, alles auszuschließen, was ich nicht will, da hatte ich dann eine gute Basis. Man braucht Durchhaltevermögen und Neugier, sollte initiativ sein und auch mal mutig und auf keinen Fall ein Perfektionist. Perfektionismus macht unsicher und lähmt, man kann dann nicht weitermachen, sondern hält sich wahnsinnig auf mit Dingen, die nicht so elementar wichtig sind. Wer in den ersten 80 % richtig stark ist, der kann die letzten 20 % dann anderen überlassen oder sich dabei unterstützen lassen.

Wo arbeitest du?

Ich habe ein Büro in Potsdam an der Uni. Das ist gut, denn so kann ich Beruf und Privatleben einigermaßen trennen.

 Ist „Gründer“ ein familienfreundlicher Beruf?

Das kommt darauf an. Grundsätzlich ist es sicher sinnvoll, sehr jung zu gründen oder später, wenn die Hauptphase des Familienlebens abgeschlossen ist. Wenn man beides vereinbaren will, braucht es ein sehr gutes Grenzmanagement und sehr gute Kommunikation nach allen Seiten. Und man muss unterscheiden lernen zwischen Maximum und Optimum: Wenn ich zwei (oder mehr) Lebensbereiche habe, kann ich „nur“ ein Optimum schaffen, also in allen ziemlich gut oder präsent sein. Wenn ich ein Maximum haben will, muss ich mich auf einen Bereich konzentrieren. Das gilt aber wahrscheinlich für ziemlich viele Berufe.

Lieber Phillip Hommelsheim, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!