Was macht eigentlich eine Architektin?

JS: Ganz einfach gesagt: Architekten planen Bauwerke, insbesondere Gebäude, von der ersten Idee bis zur Fertigstellung. Es geht also los mit den ersten Ideen über Skizzen innerhalb der Vorplanung und der Grundlagenermittlung, dann kommt die Vertiefung des Entwurfs in der Entwurfsplanung. Danach muss man bei der Baubehörde die Genehmigung einholen. Und dann kann die Umsetzung beginnen, wenn die Ausführungsplanung und die Leistungsverzeichnisses erstellt und die Leistungen an Firmen vergeben sind. Die Bauleiter auf der Baustelle sind auch Architekten. Das also sind alles Aufgaben, die Architekten übernehmen. Dieser Prozess ist in die oben genannten neun Leistungsphasen unterteilt, und selten macht ein Architekt das alles allein. Vor allem angestellte Architekten, die in Architekturbüros mitarbeiten wie ich, konzentrieren sich meist auf ein bis zwei große Leistungsphasen, aber natürlich kann man auch den ganzen Prozess übernehmen.

Wann wusstest du, dass du einmal diesen Beruf ergreifen würdest?

Erst nach dem Abi. Ich wusste eigentlich nicht so genau, was ich machen wollte; ich war von meinen Interessen her ziemlich breit aufgestellt. Tatsächlich hatte ich auch zuerst angefangen, Biologie zu studieren, aber das hat mir nicht entsprochen. Ich war schon in jungen Jahren kunstinteressiert. Habe viel gezeichnet, auch Gebäude als Längsschnitt und habe die Räume dargestellt. Und ich habe sehr gerne Kunstausstellungen besucht. Ich habe gemerkt, dass die freie Kunst mir nicht liegt, sondern dass ich etwas Angewandtes machen möchte. Mein Opa war Bauzeichner und mein Vater liebäugelte mit der Idee, eine alte Scheune zu kaufen und umzubauen. Es gab also schon Berührungspunkte. So bin ich dann zur Architektur gekommen. Ich hab es einfach ausprobiert.

Mir hat gefallen, dass es eine konkrete Aufgabe gibt und wir eine bauliche Lösung dafür entwickeln sollten. Ich bin gut in das Studium hineingewachsen und es hat mir Spaß gemacht. Überhaupt bekam ich einen ganz neuen Blick auf Architektur.

Welche Inhalte haben dir in der Ausbildung, vorher in Schule und Freizeit besonders viel Spaß gemacht?

Eigentlich alles Mögliche. Mein Lieblingsfach in der Schule war Kunst. Als Kind habe ich sehr gerne gezeichnet. Mit meiner Schwester habe ich viel und intensiv Lego gebaut.

Tatsächlich habe ich mich auch schon relativ früh für Gebäude interessiert, hab sie gerne angeschaut. Und ich war oft in Kunstausstellungen.

In Mathe und Physik war ich gar nicht so besonders gut; mein Schwerpunkt war und ist eben immer mehr dieser gestaltende Aspekt.

Wie verlief die Ausbildung?

Ich habe noch auf Diplom studiert. Das Studium war unterteilt in Grund- und  Hauptstudium. Im Grundstudium ging es im Wesentlichen um die Vermittlung der Grundlagen. Je weiter fortgeschritten man im Studium war, desto komplexer wurden die Aufgaben und Entwürfe. Toll fand ich, dass man vom ganz kleinen Maßstab bis zum Städtebau hin mit allen möglichen Herausforderungen konfrontiert wird. Ich habe im Rahmen des Studiums auch im Ausland nämlich in Paris für ein Jahr studiert. Davor war ich für ein 6-monatiges Praktikum in einem Architekturbüro in der Schweiz. Das waren auch sehr spannende Erfahrungen.

Es ist ein wahnsinnig zeit- und arbeitsintensives Studium; jeder Entwurf ist ja eine eigene Lösung für ein gestelltes Problem, und da gibt es oft sehr viel zu bedenken; man hinterfragt und bespricht sich, steckt da unheimlich viel Herzblut rein.

Da muss man das wirklich machen wollen und darin eine Befriedigung erfahren, damit man das durchhält. Schon damals gab es eine sehr starkes ‚Aussieben’ unter den Studierenden – viele haben abgebrochen.

Nach dem Studium braucht man Praxiserfahrung in der Planung, um in die Architektenkammer und das daran angeschlossene Versorgungswerk aufgenommen zu werden. Zu meiner Zeit schien das einfacher zu sein. Das oder die Architekturbüros in denen man mitgearbeitet hat, mussten bescheinigen, dass man alle 9 Leistungsphasen durchlaufen hat. Heute muss man wohl noch zusätzliche Kurse und Seminare belegen, um Kompetenzen und Kenntnisse nachzuweisen.

Aber auch wenn man nach dem Studium nicht als Architektin arbeiten möchte, gibt es viele andere Möglichkeiten – man kann z. B. über ein Referendariat in die Baubehörde, aber auch in den Medienbereich und zum Beispiel virtuelle Welten gestalten, oder in die Lehre und Forschung an die Uni.

Wo arbeitest du momentan?

In einem Architekturbüro mit fünf Mitarbeitern. Ich habe auch schon in größeren Büros gearbeitet, aber es gefällt mir in so einem kleineren besser, weil man da einfach viel mehr mitbekommt und Unterschiedliches machen kann.

Wie viel Zeit verbringst du mit welchen Tätigkeiten?

Zur Zeit mache ich hauptsächlich Ausführungsplanung, sitze viel vor dem Bildschirm und zeichne und recherchiere. Dazu gibt es immer wieder Besprechungen mit Kollegen und Fachplanern zum Austausch und zur Abstimmung. Wenn man die Projektleitung übernimmt, muss man vor allem Besprechungen und Abstimmungen mit dem Bauherrn, den Behörden und Fachplanern und Gutachtern führen. Man kümmert sich um die Terminplanung und die Kosten.

Was ist besonders toll an deinem Beruf?

Das Gestalten! Wir kümmern uns ja darum, den Lebensraum von Menschen zu gestalten und dabei möglichst alle Bedürfnisse möglichst gut zu berücksichtigen. Egal, ob es um eine neue Feuerwache, eine Förderstätte, einen Kindergarten oder ein Wohnhaus geht, es gibt zwar immer Vorgaben funktionaler und rechtlicher Art, aber auch ganz vieles, was man kreativ gestalten und lösen kann. Das ist ein faszinierender und oft recht langer Prozess von der ersten Idee bis zur Fertigstellung, aber es ist ein großartiges Gefühl, wenn da irgendwann das fertige Bauwerk steht.

Gibt es etwas, das dir nicht so gut gefällt?

Es ist oft stressig, wenn Abgaben und Zuarbeiten anstehen. Dann arbeitet man schon mal Überstunden und evtl. auch am Wochenende, denn da es immer individuelle Lösungen für komplexe Probleme zu finden gilt, braucht es Zeit. Manches muss man verwerfen, weil es Änderungen seitens des Bauherrn oder der Fachplaner gibt, ein Detail auf der Baustelle doch nicht funktioniert und verändert werden muss; das kann dann auch mal ein bisschen frustrieren.

Außerdem fehlt auch manchmal die Anerkennung für den Beruf. Gerade im individuellen Hausbau nehmen die Leute eben lieber ein Fertighaus, weil es günstiger ist, obwohl es oft die schlechteren Lösungen bietet. Und die Bezahlung ist inzwischen besser geworden, schlechter jedoch als bei den Fachplanern, bei denen es mehr um technisches Wissen geht und die viel effizienter arbeiten können. Aber da es bei uns sichtbar und gestaltend ist und auf einen speziellen Ort bezogen ist, gibt es genau dafür eine spezifische Lösung und man kann keinen fertigen Entwurf aus der Schublade nehmen und einfach irgendwo hin bauen.

Was würdest du jemandem raten, der diesen Beruf ergreifen möchte?

Für das Fach selbst ist räumliches Vorstellungsvermögen wichtig und ein Gespür für Gestaltung. Es ist gut, wenn man flexibel im Kopf ist und zugleich gesunden Menschenverstand mitbringt, damit am Ende auch immer alles zusammen passt. Es ist ein toller Beruf, weil er so unglaublich vielfältig ist. Jedes neue Projekt ist anders und jedes auf seine Art spannend. Aber man muss durchhalten können – manchmal dauert es Jahre von der ersten Idee bis zur Fertigstellung. Und man braucht ein dickes Fell. Der Ton auf der Baustelle und mit den Firmen ist manchmal schon ganz schön rauh, und da muss man auch hartnäckig sein können und durchsetzungsfähig. Kommunikation ist auch wichtig, denn man muss ja seine Entwürfe auch vorstellen und die Leute davon überzeugen können.