Vielfältig, anspruchsvoll und gefragt

Das Studium des Bauingenieurwesens ist ebenso vielfältig wie anspruchsvoll – nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Bauingenieure in nahezu allen Bereichen gefragt sind, in denen irgendetwas – vom Einzelhaus über Wasserleitungen und Autobahnen bis hin zu Eisenbahntunnels oder Flussregulierungen – konstruiert und gebaut werden muss. Sie können selbständig, in kleinen Büros oder großen Bauunternehmen, in Behörden oder Verbänden arbeiten; in letzter Zeit werden gute Bauingenieure auch verstärkt in internationalen Projekten gesucht und eingesetzt. Nicht zufällig ist das Bauingenieurwesen die älteste der drei klassischen Ingenieursdisziplinen: Während Maschinenbau und Elektrotechnik eher Felder der Moderne sind, haben die Bauingenieure schon in der Konstruktion von Pyramiden, Aquädukten und Kathedralen ihr Können bewiesen.

Inhalte des Studiums

Die Grundlagen dieses Faches bilden Naturwissenschaft und Technik. Ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und Spaß an der Berechnung und Konstruktion von komplexen Modellen sollte die künftige Bauingenieurin oder der künftige Bauingenieur unbedingt mitbringen, ebenso wie ein gewisses Organisationstalent und die Fähigkeit zum analytischen Denken Anders als beim Studium der Architektur stehen hier nicht so sehr die Kreativität und Ästhetik im Vordergrund, sondern Planung, Statik, Technik und Funktionalität. Gerade in den ersten vier Semestern kommt niemand an Mathe und Informatik vorbei, dazu kommen Vorlesungen in Physik und Mechanik, Baustoffkunde und Konstruktionslehre, aber auch aus dem Bereich des Rechts und der Betriebswirtschaftslehre.  Hinzu kommen Grundlagen aus allen Gebieten des Bauingenieurwesens wie der technische Ingenieurbau, die Technische Mechanik, Werkstoffkunde inklusive Bauphysik und -chemie, Baukonstruktion, Bauinformatik, Vermessung. Keine Frage: das ist ebenso spannend wie komplex! Allerdings ist das Studium an nahezu allen Unis und Fachhochschulen auch immer mit starkem Bezug zur Praxis ausgelegt, denn auch der fertige Ingenieur sitzt eben nicht nur denkend am Schreibtisch, sondern muss auch mal vor Ort auf der Baustelle sein und genau wissen, welche Schwierigkeiten bei welchen Vorhaben konkret zu bedenken sind. Während also die Theorie – vor allem Mathe und Physik – allgegenwärtig ist, muss der Studierende von Anfang an auch in kleinen und großen Projektarbeiten Entwürfe anfertigen, die ihm einen Vorgeschmack auf den späteren Job geben. Anfangs plant man ein Einfamilienhaus oder einen Abwasserkanal, dann geht es an komplexere Aufgaben und man entwirft Brücken, Kläranlagen, Sportstadien oder Flughäfen. An allen Hochschulen sind überdies Berufspraktika Pflicht. Meist werden ein oder zwei Praxissemester in Baufirmen, Bauverwaltungen und in Ingenieurbüros abgeleistet.

Spezialisierungen und Vertiefungsrichtungen

Innerhalb des Studiums geht der Trend sehr stark zum fachübergreifenden Lernen. Computer Engineering und Computer Mechanics verbinden das Bauingenieurwesen mit den neuesten Kenntnissen aus Maschinenbau und Informatik. Hinzu kommt, dass Bauingenieure immer stärker im Spannungsfeld zwischen umweltpolitischen Ansprüchen und wirtschaftlichen Vorgaben stehen und dabei fächerübergreifende Lösungen und neue technologische Ansätze finden müssen.  Manche Hochschulen stellen die Fächer der Vertieferrichtungen auch anders als in den klassischen Kombinationen zusammen. So werden bisweilen auch Umwelttechnik mit Verkehrs- und Raumplanung oder Baubetrieb mit Grundbau kombiniert. Darüber hinaus bieten vor allem Fachhochschulen eine Reihe mehr oder weniger exotischer Studienabschlüsse, die über die Spezialisierung der oben genannten Vertiefungsrichtungen hinausgehen: Hafenbau und Küstenschutz, Werkstoffkunde, Facility Management oder Bauinformatik sind dafür nur einige Beispiele. Aber ob der Bauingenieur nun lernt, im Verkehrswesen ein Autobahnkreuz zu planen, im Wasserbau die deutsche Küste mit Deichen zu überziehen, im Fach Geotechnik Tunnel durch die Alpen zu graben oder sich im Bereich Umweltschutz um den Austausch ökologisch bedenklicher Baustoffe zu kümmern – immer sind technisches Know-how, konstruktives und planerisches Geschick und eine Menge Berechnung und Informatik erforderlich.

Studienaufbau

Der Inhalt des Bauingenieurwesen Studiums besteht in den ersten drei Semestern aus der Vermittlung von Grundlagenkenntnissen der allgemeinen Ingenieurwissenschaften sowie des Bauwesens. Der Lehrplan beinhaltet insbesondere die Fächer der Höheren Mathematik, der Technischen Mechanik, der Statik, der Bauphysik, der Baukonstruktionslehre, der Geodäsie, der Werkstoffkunde, der Bauinformatik und der Baubetriebslehre und Bauwirtschaft.

Die ersten vier gelten als die schwierigsten des Bauingenieurstudiums – auch, weil in dieser Phase die Theorie noch einen relativ großen Anteil gegenüber den praktischen Fächern hat. Aber die Arbeit lohnt sich: Wer schließlich auf einem festen theoretischen Fundament steht, kann ab dem 5. Semester so richtig durchstarten, denn nun kann ganz nach individuellem Interesse eine Vertiefungsrichtung gewählt werden. Welche Vertiefungsrichtungen angeboten werden, unterscheidet sich von Hochschule zu Hochschule bzw. zwischen Universität und Fachhochschule. Wer also schon vor dem Antritt des Studiums weiß, dass er oder sie in den Küstenschutz möchte, der sucht sich sinnvollerweise eine Institution aus, die eine entsprechende Richtung auch anbietet. Klassische Vertiefungsrichtungen sind zum Beispiel:

  • Konstruktion und Entwurf,
  • Umweltingenieurwissenschaften,
  • Bodenmechanik,
  • Fluidmechanik,
  • Baustatik,
  • Verkehrswesen und
  • Baustoffe und Sanierung sowie
  • Baurecht und Bauwirtschaft,

aber andere – in der Regel kleinere – Hochschulen bieten auch Module aus anderen, spezielleren Bereichen an.

Die in dieser Phase vermittelten Kenntnisse und Kompetenzen bereiten auch bereits auf den Masterstudiengang vor.

Das sechste Semester und damit das Bachelorstudium schließt mit der Anfertigung der Bachelorarbeit ab. Darin muss innerhalb einer vorgegebenen Frist eine komplett eigenständige Arbeit im Bereich Bauingenieurwesen nach wissenschaftlichen Methoden erstellt werden. Manche Hochschulen sehen noch ein zusätzliches Kolloquium vor, im Rahmen dessen die Erkenntnisse aus der Bachelorarbeit vorgestellt und verteidigt werden müssen.

Master

Mit entsprechenden Noten und bei hinreichender Motivation kann an das Bachelorstudium ein Masterstudium angeschlossen werden, in dem die bereits erworbenen Fähigkeiten erweitert und vertieft werden. Der Master ist die Voraussetzung für anspruchsvolle Ingenieurtätigkeiten in leitenden Positionen, denen die Verantwortung für die Planung, Konstruktion und Ausführung von Bauwerken obliegt. Im Masterstudium Bauingenieurwesen gibt es sehr viel Wahlfreiheit: Häufig gibt es keine eigentlichen Pflichtmodule mehr, stattdessen kann der Studierende aus Vertiefungsmodulen wählen, die zum Beispiel aus den folgenden Bereichen kommen:

  • Konstruktion
  • Baustoffe
  • Baumechanik
  • Massivbau, Stahlbau, Holzbau
  • Geotechnik
  • Informatik und Geoinformationssysteme
  • Statistik und Optimierung
  • Verkehrs- und Wasserwesen
  • Projektplanung und Projektmanagement (Baubetrieb, Betriebswirtschaft, Recht)

Wie oben erwähnt, gehören Bauingenieurwesen-Studium unbedingt auch Praktika, in denen die erworbenen theoretischen Kenntnisse praktisch angewendet werden können. Ob und gegebenenfalls wie viele Praktika im Rahmen des Bachelor- und Masterstudiums Bauingenieurwesen vorgesehen sind, ist von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. Traditionell sind aber in den Studiengängen der Fachhochschule mehr Praktika vorgesehen als an den Universitäten. Das hängt mit ihrem größeren Praxisbezug zusammen. Tipp: Es ist durchaus sinnvoll, ein erstes Praktikum schon vor den Beginn des Studiums zu legen. Zum einen ist es ein guter Weg, um herauszufinden, ob der Beruf wirklich der Richtige ist, zum anderen hilft die hoffentlich daraus resultierende Begeisterung auch über jene Phasen des Studiums hinweg, in der der Durchschnittsstudierende unter der Last der Theorie leidet.

Stundenplan

Im ersten Semester könnte ein Stundenplan im Bauingenieurwesen Studium in etwa wie folgt aussehen:

 

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag
Mechanik Mathematik I Frei Technische Mathematik Frei
Frei Baukonstruktion Frei Mathematik I Frei
Physik Baukonstruktion Physik Mathematik I Frei
Frei Technische Mathematik Baukonstruktion Physik Frei
frei Frei frei Frei Frei

Aber Achtung: „Frei“ heißt nicht „Freizeit“ – die meisten der eingetragenen Fächer verlangen eine Menge Vor- und Nachbereitung. Die Organisation von Lerngruppen  und Arbeitskreisen ist unbedingt sinnvoll und bereitet auch schon auf die Praxis vor, denn eine Brücke, ein Hochhaus oder einen Staudamm plant und konstruiert auch nie ein Ingenieur allein.

Wo kann ich studieren?

In Deutschland gibt es 160 Studiengänge im Bereich Bauingenieurwesen, die auf 80 Hochschulen verteilt sind. Darunter sind die üblichen Verdächtigen (Hamburg, München, Berlin etc), aber auch kleine, spezialisiertere Hochschulen, an denen das Studium einen ganz anderen Charakter hat: Buxtehude, Kuchl oder Weimar. Auch hier gilt: Unbedingt OR Beginn des Studiums informieren, wo welche Inhalte angeboten werden, und es ist auch sehr sinnvoll, sich selbst klar zu werden, ob ich lieber an einer kleineren Uni mit speziellen Angeboten, engerer Betreuung und einer familiären Atmosphäre aufgehoben sein möchte oder die Vorteile einer großen, gut vernetzten Institution in vielleicht anonymerer Atmosphäre suche.

Einen Überblick über Studienorte und ihre jeweiligen Angebote im Bereich Bauingenieurwesen bietet die Seite studycheck.de.

Beruf und Gehalt

Nach dem Studium öffnet sich der Bauingenieurin ein vielfältiges Spektrum an Tätigkeitsfeldern. Die Berufsaussichten sind bestens: die Wohnungsknappheit in den Städten und die Herausforderungen durch Klimawandel und Ressourcenknappheit haben den Bedarf an (Bau-)Ingenieuren nicht nur in Deutschland immens verstärkt. Da die Baufläche in überfüllten Ballungsgebieten nicht schnell genug zunimmt, gibt es hier aktuell viele SanierungsmaßnahmenUmbauten und Ausbauten. Zudem beziehen solche Umbaumaßnahmen nicht nur Gebäude, sondern auch ganze Stadtviertel und Regionen mit ein. Die Ressourcenknappheit erfordert ein Umdenken in der Abfallwirtschaft, Energiegewinnung und im Energieverbrauch. Ökologisches und energieeffizientes Bauen sind daher ebenso gefragt, wie Anlagenbau im Energie-, Abwasser- und Entsorgungssektor. Tätig werden kann die Bauingenieurin als Selbständige, als Angestellte in kleineren Büros oder großen Unternehmen oder auch im Dienst des Bundes oder der Städte.

Als Berufseinsteiger nach dem Studium verdient die Bauingenieurin im Durchschnitt 4.080 € brutto monatlich. Mit einem Masterabschluss ist das Gehalt in der Regel bereits beim Berufseinstieg höher als nach einem grundständigen Studium, dafür liegt der berufseinstieg aber eben auch mindestens zwei Jahre später. Mit steigender Berufserfahrung ist ein durchschnittliches Gehalt von 4.390 € brutto im Monat zu erwarten. Besonders gut zahlen Unternehmen im Anlagenbau und in der Immobilienbranche. Je nach Position und Unternehmensgröße sind Spitzengehälter von 50.000 € brutto jährlich möglich.