…wenn Juli und August die ausschlaggebenden Argumente sind

Ferien sind schön, auch für Lehrer:innen. Aber genau wie alle anderen Berufsgruppen haben auch Lehrende lediglich Anspruch auf sechs Wochen Urlaub im Jahr – und das sind in aller Regel tatsächlich die Sommerferien. Alle anderen Ferien gelten als unterrichtsfreie Zeit, in der möglicherweise Klausuren korrigiert, Fortbildungen geleistet oder Dienst an der Schule getan werden muss. Der Dienstherr kann sogar die Anwesenheit in der Schule einfordern, wenn es bestimmte Umstände erforderlich machen – sogenannte Präsenztage, die im Zuge von Umstrukturierungen jeder Art besonders nützlich sind.

Wer also vor allem aus Vorfreude auf die viele freie Zeit in den Beruf gehen möchte, der informiert sich besser über andere Alternativen. Nicht zuletzt ist es ja auch ein wenig paradox, einen Beruf zu wählen, weil man ihn einen Großteil der Zeit vermeintlich nicht ausüben muss.

…wenn immer die anderen schuld sind

Als Lehrer:in steht man in ständiger Interaktion mit anderen Menschen: Schüler:innenn, Kolleg:innen, Eltern und ja, auch Vorgesetzten. Naturgemäß kommt es da gern zu Divergenzen, weil die Interessenlagen auseinandergehen: Schüler:innen wollen nicht so viel Stress und Unterricht, der Spaß macht; Eltern hätten gerne gute Noten und Vorgesetzte wünschen sich zuverlässige und engagierte Mitarbeiter:innen, die die nicht immer praktikablen Vorgaben der Bildungspolitik ohne allzu viel Murren verständig umsetzen. Unter Kolleg:inneen sind Solidarität und, natürlich, kollegiales Verhalten wichtig – dass nicht übereinander gelästert wird, ist selbstverständlich (schon gar nicht vor Schüler.innen, obschon das die eigenen Beliebtheitswerte massiv steigern kann). Aber selbst, wenn man all diese Anforderungen nach bestem Wissen erfüllt, wird sich der oder die eine oder andere dennoch gelegentlich seltsam verhalten. Wer da nicht willens oder in der Lage ist, das eigene Verhalten zu reflektieren und nach dem Anteil im Konflikt zu suchen, den er oder sie aktiv beeinflussen kann, der wird sehr schnell sehr frustriert sein. Empathie und Einfühlungsvermögen sowie ein gesundes Maß an Selbstkritik sind absolut unabdingbar in einem Beruf, der wie kaum ein anderer mit so komplexen und unterschiedlichen Rollenerwartungen verbunden ist. Das heißt nicht, dass sich gute Lehrer:innen verbiegen müssen und nach einer Seite Kumpel, nach der anderen devot sein sollte – aber es bedeutet, sich in das gegenüber und seine Befindlichkeiten einfühlen zu können, um sensibel zu reagieren. Wer die anderen wahrnimmt und das auch deutlich macht, kann authentisch auch in der Um- und Durchsetzung seiner eigenen Ziele bleiben.

…wenn ich Empathie nur buchstabieren kann

Kinder und Jugendliche entwickeln sich in den in zehn bis dreizehn Jahren ihrer Schulzeit enorm und durchlaufen Phasen unterschiedlichster Art. Dass Schule dabei nicht immer oberste Priorität hat, ist ein Umstand, den Lehrer:innen nicht nur im Hinterkopf haben, sondern respektieren sollten: Krisen der Eltern, Verliebtheit, Stress mit der besten Freundin oder ein krankes Haustier können so viel wichtiger sein als binomische Formeln. Mit Härte holt man keine Schüler:in zurück in den Unterricht, mit Verständnis und Anteilnahme hingegen lässt sich vielleicht erreichen, dass die eine Baustelle zumindest für die Dauer von 45 Minuten in den Hintergrund rückt. Schüler:innen, die sich wahrgenommen fühlen, sind um einiges motivierter und lernfähiger – nicht umsonst ist längst nachgewiesen, dass der entscheidende Faktor für den Lernerfolg weder die digitale Ausstattung noch die Qualität der Schulbücher sind, sondern weit vor allem anderen die persönliche Beziehung zur Lehrperson.

…wenn Recht haben meine beste Eigenschaft ist

Das Lösungsheft in der einen und das Notenbuch in der anderen Hand – das Schreckgespenst der Pädagogik durchgeistert noch immer manche Vorstellung vom Lehrer:innendasein. Dabei ist es oft gar nicht so wichtig und vor allem nicht förderlich für den Erfolg des Unterrichts, wenn einer alles weiß – die gemeinsame Suche nach Lösungen auf gut gestellte Fragen setzt kreative Prozesse frei, die zwar unberechenbar in ihrem Ausgang sein können, dem Kerngedanken von Bildung aber viel mehr entsprechen als das sture Einbläuen von Formeln und Phrasen.  Das bedeutet aber auch, dass Lehrer:innen sich darauf einlassen müssen und möglicherweise auf manche Antworten nicht vorbereitet sind: da kann man dann auch ruhig mal einräumen, dass man auch mal etwas nachlesen oder über ein Problem länger nachdenken muss. Wer sich nicht traut, Unzulänglichkeiten einzugestehen, ist als Vorbild für Menschen, denen man eigenständiges Denken beibringen möchte, sicher ungeeignet – wer keine Fragen mehr hat, macht sich schließlich auch nicht auf die Suche nach Antworten.

…wenn ich das Kind in mir vergessen habe

Ab und zu gibt es Tage und Situationen, in denen es gut ist, wenn Lehrer:innen auch mal loslassen können. Der erste heiße Sommertag, der erste Schnee, ein besonderes Ereignis oder auch einfach mal ein Tag, an dem alles schiefgegangen ist: Wer Kindern zeigen kann, dass er bei ihnen ist in ihrer Freude am Spiel, am Basteln, an Bewegung, an was auch immer an Begeisterndem angeboten wird, der tut viel für die Beziehung, die so wichtig ist für das gemeinsame Lernen. Und wem es nicht (mehr) gegeben ist, spontan eine Rodelpartie mitzumachen, der kann vielleicht mindestens mitgehen und zuhören, wenn in allen Einzelheiten der dramatischste Sturz oder das spannendste Wettrennen beschrieben wird. Dazu gehört auch, dass kein Vokabeltest am Montag nach der Kirmes geschrieben wird und am Morgen nach dem Schulfest nicht gleich mit dem Lernstoff begonnen – je jünger die Kinder, desto empfänglicher sind sie dafür, wenn auch die Lehrkraft mal etwas Spannendes zu berichten weiß. Ohne Interesse an den kleinen und großen Menschen, mit denen man seine berufliche Lebenszeit verbringt, ohne Humor und Begeisterungsfähigkeit für ihre Geschichten und Erlebnisse wäre die Lehrkraft nichts weiter als eine Lernbegleiter:in, möglicherweise didaktisch, methodisch und fachlich exzellent, aber digital ersetzbar. Was Schule ausmacht, ist das Zusammentreffen von Menschen – und gute Lehrer:innen arbeiten daran, dieses für alle Beteiligten produktiv, positiv und fruchtbar für den Bildungsprozess zu machen.