Wie ein Gap Year richtig gut wird

Nach 12 oder 13 Jahren Schule ist es endlich Zeit für etwas Anderes – Abenteuer, Reisen, Entspannung? Der Wunsch danach ist höchst verständlich, zumal die letzten anderthalb Jahre für alle Schüler:innen eine besondere Herausforderung darstellten. Wenn nun langsam endlich alles wieder möglich wird – reisen, feiern, Menschen treffen – dann ist es gut nachvollziehbar, dass vor den Start ins Studium oder in die Ausbildung erstmal „richtig leben“ gesetzt werden soll.

Dennoch: Auch das Jahr zwischen Schulabschluss und nächstem Bildungsabschnitt, im angelsächsischen Raum schon seit langem als Gap Year, also Zwischen-Jahr bezeichnet, kann uns sollte gut durchdacht und geplant werden. In aller Regel lösen sich nämlich bestimmte Lebensfragen nicht von selbst, und wer sich jetzt noch nicht entschieden hat, welches Studium er irgendwann mal aufnehmen oder welche Ausbildung sie beginnen möchte, der oder die wird möglicherweise in einem Jahr in dieser Frage nicht weitergekommen sein – wenn in der Zwischenzeit nicht aktiv an der Lösung dieser Frage gearbeitet wird. Das Gap Year kann genau dabei helfen und trotzdem Spaß machen: Wer beispielsweise um die Welt reisen und dabei nicht auf das elterliche Budget angewiesen sein möchte, kann mit einem Work and Travel-Visum zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Arbeiten kann man in den unterschiedlichsten Bereichen, und wer zwischen zwei oder mehr Berufswünschen schwankt, kann sich gezielt Arbeitsmöglichkeiten suchen, in denen er den einen oder anderen Beruf näher kennenlernt. Sinnvoll ist es dann, solche Arbeitsmöglichkeiten schon vorab auszuloten und schon jetzt im Architekturbüro in Sydney oder im Hotel in Davos anzufragen, ob und wann dort Unterstützung gebraucht wird.

Reisen – Praktika – Fremdsprachen lernen

Ebenso gut geeignet sind Praktika, die man vielleicht sogar für das spätere Studium oder die Ausbildung braucht oder sich anrechnen lassen kann: Viele davon können ebenso gut im Ausland absolviert werden, sofern der dortige Arbeitgeber bereit und in der Lage ist, das Praktikum entsprechend zu zertifizieren.

Unter dem Aspekt des reinen Spracherwerbs zu reisen, ist in beruflicher Hinsicht nur dann sinnvoll, wenn der spätere Beruf tatsächlich auch mit Sprache und Kultur zu tun hat.  Letzten Endes geht es auch darum, einem späteren Arbeitgeber gegenüber darlegen zu können, dass man das Jahr nach dem Abitur nicht einfach nur irgendwo herumgegammelt hat, wo es schön warm ist, sondern dass man zwar Abstand vom Schulleben brauchte, das Jahr aber durchaus gezielt in den eigenen Bildungsplan eingebaut hat. Wenn ich Intercultural Management studieren möchte, muss ich natürlich möglichst viele und möglichst tiefgehende Erfahrungen in anderen Kulturen sammeln, tauche also am Besten in das Leben einer Gastfamilie ein (zum Beispiel als Au-Pair) oder engagiere mich in einem Freiwilligenprojekt mit möglichst vielen einheimischen Mitarbeitern; wenn ich mir beruflich eine Tätigkeit im Bereich Astrophysik erträume, kann ich mich um ein Praktikum bei der Sternwarte in Atacama bemühen oder schauen, an welchen Unis noch Praktikanten für spannende Forschungsprojekte gesucht werden.

Neben solch gleichermaßen spannenden, wie nützlichen Erfahrungen bieten sich auch in einem auf diese Weise geplanten Gap Year ganz sicher hinreichend Möglichkeiten zum Entspannen, Feiern, Menschen kennenlernen und auch – ohne schlechtes Gewissen – einfach mal zu chillen.

Achtung:  Gerade bei längeren Auslandsaufenthalten ist eine spezielle Krankenversicherung fürs Ausland unbedingt notwendig. Die meisten nichteuropäischen Länder verlangen ein Visum, und wenn man im Ausland Geld verdienen möchte, ist ein Work-and-Travel-Visum gefragt. Achtung: Auch im Ausland erwirtschaftetes Geld muss (dort!) versteuert werden! Bedacht werden muss auch die Gesundheitsvorsorge: In manche Länder darf oder sollte man nur mit möglichst aktuellen Impfungen einreisen – Impfpass nicht vergessen und rechtzeitig mit dem Impfen beginnen. Eine Reihe von Agenturen helfen bei der Vermittlung und Planung des Auslandsjahres, aber auch hier ist Vorsicht geboten. Wenn der Preis für die perfekte Organisation allzu astronomisch wird, stellt sich die Frage, ob die eigenständige Planung nicht tatsächlich eine der wesentlichen und wichtigsten Herausforderungen und Lernerfahrungen des Gap Years darstellt. Man wächst schließlich mit seinen Aufgaben – und manchmal über sich hinaus!