…ein Berufsschullehrer?

Carsten: Wir unterrichten Schüler, die an einer beruflichen Schule entweder den beruflichen Teil einer dualen Ausbildung absolvieren, oder die ein berufliches (Fach)Abitur machen. Unsere Schüler haben also in der Regel einen ESA oder MSA und sind entsprechend alle über 16, aber in den letzten Jahren hat der Bereich sehr zugenommen, in dem SchülerInnen ohne Hauptschulabschluss auf eine Ausbildung vorbereitet werden. Das ist häufig auch der Bereich, in dem viele Migranten und Geflüchtete sitzen, so dass erstmal Grundlagen gelegt werden müssen. Das Spektrum ist also ziemlich groß.

Wann wusstest Du, dass Du einmal diesen Beruf ergreifen würdest?

Carsten: Eigentlich wollte ich überhaupt nie richtig Lehrer werden. Ich habe mich nach dem Abitur für vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet, weil ich studieren wollte und meine Eltern das nicht hätten finanzieren können. Dort konnte ich zwei Berufsausbildungen machen: eine als Fluglotse und eine weitere als Bürokaufmann. Weil ich mich für so viele Dinge interessiere, war ich nach der Bundeswehr nicht so richtig sicher, was ich eigentlich studieren will – Technik und Wirtschaft finde ich spannend, aber ich wollte auch unbedingt etwas mit Menschen machen. Ich bin dann erst einmal noch ein Jahr um die Welt gereist, dann habe ich ein Studium als Wirtschaftsingenieur angefangen, aber nach dem Vordiplom war damit Schluss. Dann hat mir jemand vom Studium Berufsschullehramt erzählt und gesagt, da kannst du dir ganz viel anrechnen lassen und hinterher alles Mögliche machen. So kam ich in den Studiengang.

Wie verläuft denn die Ausbildung überhaupt?

Carsten: Man braucht eine Berufsausbildung oder mindestens ein einjähriges Praktikum, um das Studium aufnehmen zu können. Dann wählt man eine berufliche Fachrichtung; in meinem Fall war das Wirtschaft, aber es geht auch Technik, Gesundheit, Soziales und so weiter. Dazu nimmt man ein normales Unterrichtsfach, bei mir war das Englisch. Ich habe vor der Bologna-Umstellung studiert, und mein Abschluss ist der eines Diplom-Handelslehrers. Ich hab also mein Studium mit einem Diplom und einem Staatsexamen abgeschlossen. Dann habe ich erst einmal ein bisschen in der Wirtschaft gearbeitet, bei Mercedes in Stuttgart. Das war toll und ist auch für meine Arbeit jetzt unschätzbar, denn ich kann den SchülerInnen erzählen, wie es draußen in der Wirtschaft wirklich läuft, und die meisten finden die Geschichten aus der Praxis spannend. Ich glaube, dadurch nehmen sie uns Berufsschullehrer auch ernster als die „normalen“ Lehrer – weil wir ihnen ein bisschen näherbringen können, warum das, was sie lernen, fürs Leben wichtig ist.

Meiner Frau zuliebe habe ich mich dann entschieden, im Norden Deutschlands das Referendariat zu machen. Das war eine wirklich blöde und anstrengende Zeit, ich war ja schon etwas älter und hatte auch schon viel gemacht, und auf einmal musste ich mir sagen lassen, ich gehe so laut, das würde die Schüler irritieren. Das hat mich sehr genervt, und dieses ständige Unter-Beobachtung-Stehen und Beurteilt-Werden auch. Es ist ein Riesenarbeitsaufwand, der da gefordert wird. Rückblickend muss ich schon sagen, dass ich viel gelernt habe, aber ich denke, am Referendariat kann man viel reformieren. Meine Schule hat mich nach dem 2. Staatsexamen dann übernommen und nach zwei Jahren wurde ich auf Lebenszeit verbeamtet. Jetzt bin ich ein richtiger Pauker.

Wo arbeitest du momentan, und wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Carsten: Ich habe eine Vollzeitstelle an einer Beruflichen Schule für Büro- und Personalmanagement am Rand von Hamburg. Das heißt, ich unterreichte etwa 26 Stunden pro Woche. Den Löwenanteil der Zeit beansprucht neben Vor- und Nachbereitung die Bürokratie, gerade in Corona-Zeiten, aber auch sonst. Ich bin immer gern Klassenlehrer, weil mir die persönliche Beziehung zu meinen Schülern besonders wichtig ist und ich sie dadurch auch motivieren kann. Aber wir haben viel mit Disziplinproblemen zu tun, da müssten Konferenzen vorbereitet und gehalten werden, und in den Phasen des Distanzlernen sind uns einige Schüler einfach abhanden gekommen, haben sich nicht mehr gemeldet. Denen telefoniere ich hinterher, versuche diejenigen, die es schulisch nicht schaffen, in Ausbildungen oder Praktika zu vermitteln oder andere Alternativen zu finden. Das kostet viel Zeit und Energie, aber es kommt auch viel zurück. Anders bei der Bürokratie: Oft kommen Ansagen von oben, wie irgendwas gehandhabt werden soll, und die sind dann so fern von der Praxis, dass es einfach nicht funktionieren kann. Das ist ärgerlich und frisst einfach nur Zeit und Energie.

Was findest Du an Deinem Beruf besonders toll?

Carsten: Wenn ich merke, dass der Funke überspringt; dass ich SchülerInnen erreiche mit der Energie, die ich in sie investiere. Manchmal schreiben mir junge Menschen, die vor zwei oder drei Jahren die Schule verlassen haben, und erzählen mir, was sie gemacht haben, und oft bedanken sie sich dann für die Begleitung und Unterstützung während der Schulzeit. Oder wenn sich mir SchülerInnen anvertrauen, die besondere Probleme haben und Hilfe brauchen. Ich versuche dann immer, mit ihnen gemeinsam eine Lösung zu finden, und setze mich sehr für sie ein, auch gegenüber meiner Schulleitung. Nicht immer geht das gut, manche Kinder verliert man trotzdem, und manchmal gibt es auch eine Menge Ärger. Aber tatsächlich ist es meistens so, dass solche Menschen sich dann besonders ins Zeug legen, wenn sie merken, dass jemand sich für sie interessiert. Wenn die dann ihren Abschluss schaffen, dann ist das immer ein ganz besonders schöner Moment.

Gibt es etwas, dass dir nicht so gut gefällt?

Carsten: Ja, alles, was mich von meinem Kerngeschäft abhält, der Arbeit mit den Schülern. Das können Vorgesetzte oder Betriebe, technische Schwierigkeiten oder sonstwas sein. Mich nervt es, wenn ich zu sehr gegängelt werde. Ich bin als Beamter vielleicht nicht so super geeignet, weil ich einfach gern mein Ding mache und denke, ich sehe doch selbst, ob es gut läuft oder nicht. Aber Schule ist eben kein sehr individualistisches System. Damit klarzukommen, fällt mir manchmal schwer.

Welchen Rat würdest du jemandem geben, der sich für deinen Beruf interessiert?

Carsten: Ausprobieren!  Unbedingt. Ich hab so viele Lehrer getroffen, die total gefrustet sind, weil sie keinen Draht zu den Schülern finden oder Angst haben, die Kontrolle zu verlieren. Wer mit Schülern in dieser Altersgruppe arbeitet, der muss sich auf sie einlassen können, finde ich, und sich für sie und ihre Sorgen interessieren. Dann kriegt man unheimlich viel zurück, und man freut sich mit ihnen, wenn sie Erfolge haben. Wem bloß wichtig ist, dass alle nach seiner Pfeife tanzen, der hat nicht viel Spaß an diesem Beruf, glaube ich.