Die Wunderkraft der Resilienz

Corona, Lockdown, Schulschließungen, keine Praktikumsplätze – und trotzdem gute Laune? Wer den Widrigkeiten und Schicksalsschlägen des Lebens gut standzuhalten vermag, der verfügt über die begehrte Eigenschaft der Resilienz – der Widerstandsfähigkeit und seelischen Stabilität. Der Begriff der Resilienz stammt eigentlich aus der Stoffkunde und beschreibt die Eigenschaft eines Materials, auch nach großer Belastung wieder in seinen Ursprungszustand zurückzukehren – Gummibälle oder englisches Weißbrot zum Beispiel. Auf Menschen bezogen, bedeutet das, dass auch schwerwiegende Ereignisse so verarbeitet werden, dass sie in die eigene Biographie integriert und bewältigt werden, statt das Leben aus der Bahn zu werfen oder sich als Trauma so zu verankern, dass die weitere Lebensgestaltung nachhaltig negativ beeinflusst wird.

Wie aber erwirbt man diese begehrte und in Krisenzeiten nahezu überlebenswichtige Eigenschaft? Die gute Nachricht: Ein Teil davon ist bereits genetisch angelegt, und zwar beim überwiegenden Teil der Bevölkerung. Nur etwa zwei Prozent der Menschen weisen die genetische Variante auf, die sie besonders labil und damit anfällig für psychische Erkrankungen infolge von Traumata macht. Alle anderen sind grundsätzlich in der Lage, Resilienz zu entwickeln. Diese Eigenschaft beruht auf sieben wesentlichen Aspekten, nämlich einem stabilen Selbstbewusstsein, Kontaktfreude, Optimismus, Realismus, Analysestärke, Handlungskontrolle und Gefühlsstabilität.  Alle diese Aspekte fallen indes nicht vom Himmel, sondern sind Ergebnis einer positiven Sozialisation und Persönlichkeitsbildung und – noch eine gute Nachricht – lassen sich lernen und verstärken: durch gezieltes mentales und psychosoziales Training kann ich gut darin werden, Situationen präzise einzuschätzen und realistische, konstruktive Handlungsstrategien entwickeln, die zu mess- und erkennbaren Erfolgen führen. Solche Erfahrungen wiederum wirken sich positiv auf das eigene Weltbild – Optimismus – und die eigene Selbstsicht – Selbstbewusstsein – aus. Je mehr positive Erfahrungen ich auch in Momenten der Krise mache, desto überzeugter werde ich innerlich davon, dass es in meiner Macht steht, Schwierigkeiten anzugehen und zu überwinden. Dazu muss ich mich natürlich ab und zu auch einmal einer Schwierigkeit stellen, die mich herausfordert – wer immer nur am Beckenrand steht, kann sich die Angst vor Wasser nicht wirklich abgewöhnen; wer sich hingegen ein kleines Stück hineinzuwagen traut, hat den ersten Schritt zum Schwimmen Lernen schon getan.

Um Resilienz zu entwickeln, sich aus Stimmungstiefs oder Phasen des Mir-gelingt-auch-gar-nichts-und-deshalb-fange-ich-auch-gar-nicht-erst-an herauszuholen, gibt es eine einfache, aber effektive Methode, für die man keinen Coach braucht: das Erfolgstagebuch. Jeden Tag werden zwei oder mehr Erlebnisse notiert, die man als positiv empfunden hat, und zwar nicht nur das WAS, sondern vor allem das WARUM: Mein Nachbar hat mir einen Kaffee ausgegeben – das freut mich, weil es mir zeigt, dass er mich mag; mein Sporttrainer hat meinen Absprung gelobt – das macht mich stolz, weil ich damit sonst immer Schwierigkeiten hatte und nun erlebt habe, dass ich es doch kann.  Im Erkennen und Benennen der positiven Gefühle stärkt man die Selbstwahrnehmung (=Achtsamkeit) und die Analysefähigkeit, die wiederum hilfreich ist, um auch in negativen Situationen herausfiltern zu können, warum ich eigentlich wütend, traurig oder verletzt bin – und daraus dann Handlungsstrategien zu entwickeln. Resilienz ist nämlich nicht gleichbedeutend mit Verdrängung, im Gegenteil: Sie umschließt gerade auch das Wahr- und Annehmen negativer Ereignisse und Gefühle als Teil eines ganzheitlichen Welt- und Selbstbildes. Eine schlimme Erfahrung mag mich traurig machen, auch wütend oder rachsüchtig, aber sie zerstört mich nicht.