Sehen, Hören, Ausprobieren

Lerntypen und ihre Eigenarten

Auch wenn der Begriff des „Lerntyps“ wissenschaftlich umstritten ist, weil er primär die Art und Weise der Aufnahme, nicht aber der Verarbeitung von Wissen bezeichnet, ist es doch nützlich, sich darüber klar zu werden, welcher Art von Lerntyp man am ehesten zuneigt. Aus dieser Neigung ergeben sich nämlich Konsequenzen dafür, wie man das eigene Lernen am besten organisiert und gestaltet – und auch wenn die meisten Menschen nicht ausschließlich einem Typus zuzuordnen sind, lassen sich doch meistens recht klare Tendenzen feststellen.

Die bekannteste Klassifizierung von Lerntypen stammt aus den 1970er Jahren. Ihr Begründer, Frederic Vester, unterschied wie folgt:

  • Den visuellen Lerntyp  (#1)
  • Den auditiven Lerntyp (#2)
  • Den kommunikativen bzw. intellektuellen Lerntyp (#3)
  • Den haptischen bzw. motorischen Lerntyp (#4)

Visuelle Lerntypen…

…lernen am besten, indem sie die Lerninhalte über die Augen aufnehmen, also lesen oder noch besser bildlich veranschaulichen. Kleine Zeichnungen, Grafiken, Bilder helfen ihm, Informationen aufzunehmen und zu behalten.

 Tipps zum Lernen:

Komplexe Inhalte lassen sich meist gut in kleinen Schaubildern zusammenfassen.  Auch Mindmaps, Diagramme, Cartoons, kurz alles, was anschaulich ist, wird vom visuellen Lerntyp leicht aufgenommen und besser verankert, und zwar umso besser je multisensorischer es Eingang ins Gedächtnis findet – das heißt, eine selbsterstellte Grafik, die von Hand gestaltet wird, stellt das Optimum dar gegenüber fertigen oder am Laptop generierten Skizzen.

 Auditive Lerntypen…

… nehmen neue Informationen am liebsten durch das Hören auf, das bedeutet sie folgen dem Unterrichtsgespräch oder einer Präsentation in der Regel aufmerksam und brauchen sich wenig Notizen zu machen, um das Gehörte zu behalten.

 Tipps zum Lernen:

Da Unterrichts- und Lernmaterialien in der Regel schriftlich vorliegen, tun sich auditiv veranlagte Lernende einen Gefallen, wenn sie längere Texte einmal mündlich zusammenfassen und als Memo ins Smartphone sprechen. Sowohl das eigene Sprechen als auch das wiederholte Hören helfen, den Lernstoff zu verfestigen.

 Haptische bzw. motorische Lerntypen…

…haben es in der Schule häufig schwer, denn hier überwiegen immer noch die visuellen und auditiven Vermittlungsverfahren, während das eigene Erleben und Erfahren zum Beispiel durch Experimentieren oder durch die Kombination von Lernen und Bewegung in der Regel nicht vorgesehen ist.

 Tipps zum Lernen:

Haptische oder motorische Lerntypen sind beim Lernen dann am erfolgreichsten, wenn das kognitive Lernen mit Bewegung und/ oder Gefühlen verbunden wird. Das heißt, Vokabeln beim Joggen aufsagen, Matheformeln an Tanzschritte koppeln, Geschichtsdaten mit Obstsorten verbinden: Je multisensorischer eine Information aufgenommen wird, also mit je mehr sinnlichen Eindrücken sie verbunden wird, desto tiefer findet sie Eingang ins Gedächtnis und desto besser verankert sie sich dort.

Hilfreich kann auch die sogenannte Loci-Methode sein, bei der man den Lernstoff jeweils mit einem Raum oder einem bestimmten Gegenstand in der Wohnung oder Umgebung verknüpft. Beim Lernen kann man dann diese Räume aufsuchen oder die Gegenstände einbeziehen, um erfolgreich zu lernen. Besonders gut geeignet sind übrigens Gegenstände, die gleichzeitig Bewegung ermöglichen, ein Springseil zum Beispiel, Hanteln oder ein Tischkicker.

Wer sich dann während der Prüfung die Bewegungen, Tätigkeiten oder Orte gedanklich vor Augen führt, erinnert sich intuitiv an die damit verbundenen Inhalte und zugleich an die positiven Empfindungen, die mit dem Bewegungserlebnis verbunden sind – ein Effekt, der sich zusätzlich positiv auf die Prüfungsleistung auswirkt.

Kommunikative bzw. intellektuelle Lerntypen…

…sind der schulische Erfolgsgarant: kommunikative oder intellektuelle Lerntypenerfassen Lehrinhalte durch die kritische Auseinandersetzung, relativ unabhängig vom Medium der Aufnahme – also genau durch die Methode, die im schulischen Kontext, insbesondere in der Oberstufe, primär gefordert und gefördert wird. Auf der Grundlage von Informationen setzt sich kommunikative/ intellektuelle Lernende bevorzugt im Gespräch oder in schriftlicher Form mit dem Inhalt des Gelernten auseinander, festigt ihr Wissen auf diese Weise durch Vernetzung mit anderen Inhalten und erwerben gleichzeitig bestenfalls gleich weiteres Wissen, das sie wiederum zum eigenen in Beziehung setzen und somit weiter vertiefen.

 Tipps zum Lernen:

Der goldene Schlüssel für diesen Lerntyp ist die Lerngruppe. Selbst Vokabeln oder Matheformeln, die gegenseitig abgefragt und damit kommunikativ verankert werden, sitzen besser, wenn sie im Austausch mit anderen gefestigt werden, und insbesondere da, wo es um komplexeres Verständnis geht, ist die Erarbeitung von Lösungswegen in und mit der Gruppe der nachhaltigste Weg. Kleine Präsentationen, Facharbeiten, Diskussionen oder Quizspiele – alles, was in der Gruppe machbar ist, hilft und motiviert.

Lernen als Zyklus

Lernen ist übrigens natürlich kein punktueller Akt, sondern vollzieht sich als Prozess. Der amerikanische Psychologe David Kolb hat ein Modell des erfahrungsbasierten Lernens entwickelt, demzufolge ein Lernzyklus grundsätzlich aus vier Schritten besteht:

  1. „Diverging“ = konkrete Erfahrung,
  2. „Assimilating“ = Beobachtung und Reflexion,
  3. „Converging“ = abstrakte Begriffsbildung, Benennung des Problems und
  4. „Accomodating = aktives Experimentieren

Der vierte Schritt kann wiederum die Grundlage für den ersten sein, wodurch sich das Lernen spiralförmig weiterentwickelt – zumindest im Idealfall!

 

Lernmethoden

Unabhängig vom Lerntyp gibt es Lernmethoden, die sich insbesondere zum Auswendigkernen bestimmter Inhalte besonders eignen. Hier sind die Top 3:

Die Leitner-Methode:

Alles, was es zu verinnerlichen gilt, wird möglichst kleinschrittig auf Karteikärtchen notiert. Nie mehr als ein Stichpunkt auf eine Karte! Auf die Rückseite kommt jeweils ein Frageimpuls. Jede richtig beantwortete Karte darf auf einen Ablagestapel gelegt werden (Stapel A), jede falsch beantwortete auf einen anderen (Stapel B), unsichere Antworten auf einen dritten (Stapel C). Stapel C wird als erstes wieder in Angriff genommen, von dort landen die Karten dann entweder auf Stapel B oder A. Man macht so viele Durchläufe, bis nur noch Stapel A übrig ist, der dann erneut komplett in Angriff genommen wird – so lange, bis alles sitzt.

 Die Dosen-Technik:

Diese Technik dient der Einprägung zum Beispiel von Formeln, Regeln oder Gesetzen. Man schreibt den entsprechenden Inhalt auf einen kleinen Zettel, faltet ihn und steckt ihn in eine Dose. Das macht man mit bis zu fünf Stichpunkten. Dann versucht man aus dem Gedächtnis, die in der Dose enthaltenen Formeln richtig aufzuschreiben, darf dann die Dose öffnen und vergleichen. Was richtig war, wird weggeschmissen, was falsch war, kommt wieder in die Dose und wird im nächsten Durchgang wiederholt. Je nach persönlichem Anspruch setzt man sich ein Maximum für die Anzahl der Zettel in der Dose – wer eher kleinschrittig lernt, legt sich auf fünf Zettel pro Durchgang fest, wer lieber schneller durchkommen möchte und glaubt, viel behalten zu können, nimmt zehn oder fünfzehn. Aber Achtung: Niemand wächst am Misserfolg – lieber ein Durchgang mehr als zu viele Fehlschläge!

Lernen mit Kahoot

Sehr motivierend und gleich doppelt wirksam ist das Lernen mit dem Quizsystem Kahoot. Wer gern in Lerngruppen arbeitet, profitiert hier sowohl als Quizersteller als auch als Teilnehmer, denn sowohl das Austüfteln der Fragen bei der Vorbereitung als auch die Testsituation bei der Beantwortung verankert den Lernstoff im Gedächtnis. Das Schöne: Man kann auch komplexere Inhalte abfragen, wenn die Fragen clever gestaltet sind. Besonders wirksam ist übrigens, das haben Psychologen herausgefunden, dass wir durch den Zeitdruck und die Konkurrenzsituation automatisch unter Stress gesetzt werden, so dass das Gehirn unter Hochdruck zu arbeiten beginnt. Dadurch ist der Lerneffekt selbst bei falschen Antworten besonders intensiv – diese Antwort ist beim nächsten Mal garantiert richtig!