Interview mit einer Hochschulprofessorin

Geschlecht: weiblich
Arbeitet als: Hochschulprofessorin
Alter: 42 Jahre

 

1. Was macht eine Hochschulprofessorin?

Ein Hochschulprofessor vertritt in Lehre und Forschung ein bestimmtes Fachgebiet und hilft Studenten dabei, berufsspezifisches Wissen und Fähigkeiten zu erwerben. In der Regel bedeutet dies, dass ein Professor 18 SWS (Semesterwochenstunden) Vorlesungen hält und die Studenten in diversen Fragen berät (von der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten bis hin zur Betreuung während Praxis- oder Auslandssemestern) und im Rahmen mündlicher und schriftlicher Prüfungen prüft. Darüber hinaus wird erwartet, dass man je nach Fakultät und persönlicher Neigung mehr oder weniger stark Forschung betreibt, Drittmittelprojekte einwirbt und Praxiskontakte aufbaut und in die praxisorientierte Lehre einbringt, internationale Hochschulkontakte aufbaut und pflegt sowie sich in der umfangreichen Selbstverwaltung der Hochschule einbringt (Studienprogramme leitet, in Gremien mitwirkt etc.).

 2. Wann wussten Sie, dass Sie einmal diesen Beruf ergreifen würden?

Als ich regelmäßig in meiner Firma für Mitarbeiterfortbildungen und Vorträge angefragt wurde und merkte, wieviel Freude dies mir und wohl auch den Zuhörern bereitete.

3. Wie verlief die Ausbildung?

Nach einem deutschen Diplom-Studium sowie einem vertiefenden Master-Studium im englischsprachigen Ausland incl. einiger Praktika folgte die Berufserfahrung bei zwei Arbeitgebern. Erst danach war die Motivation zur Promotion groß genug, noch einmal drei Jahre an einem Hochschulinstitut zu arbeiten (Forschung und Lehre) sowie zu promovieren. Auf eine erste Stelle im Rahmen einer Vertretungsprofessur folgte dann die jetzige unbefristete Professur. Allgemein gesprochen braucht man für eine (Fach)Hochschulprofessur idR folgenden Hintergrund: die Promotion und eine mindestens fünfjährige Berufspraxis (davon drei Jahre außerhalb einer Hochschule) sowie besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden. Meist werden auch Erfahrungen in der Lehre vorausgesetzt.

4. Welche Inhalte oder Themen haben Ihnen in der Ausbildung, vorher in Schule und Freizeit und jetzt im Beruf besonders viel Spaß gemacht?

  • Schule/Freizeit:
    Mathematik, Sprachen, Auslandserfahrungen/ Nachhilfeunterricht geben
  • Studium:
    mein Spezialfach hat mich im Studium am meisten interessiert und generell wuchsen Spaß und Interesse, wenn die Vorlesungen/ Seminare so klein waren, dass diskutiert werden bzw. ich mich aktiv einbringen konnte (das war in den deutschen Uni-Vorlesungen à 500 Leuten nicht der Fall, aber in einigen Vertiefungsseminaren sowie in meinem Auslands-Master-Studium)
  • Beruf:
    Vortragstätigkeiten, mit anderen Menschen Dinge erarbeiten, Auslandsdienstreisen

 5. Wo arbeiten Sie momentan?

An der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät einer Hochschule mit ca. 6.000 Studenten (verteilt auf 5 Fakultäten).

 6. Wie verläuft ein typischer Arbeitstag?

Es gibt die Vorlesungstage (ca. 3 pro Woche, auf die die meisten versuchen, ihre Vorlesungen zu bündeln) und die Nicht-Vorlesungstage. An den Vorlesungstagen komme ich vor der Vorlesung ins Büro, sichte die letzten Emails, überfliege noch einmal die vorbereitete Vorlesung, stelle sicher, alle benötigten Materialien dabei zu haben und begebe mich dann in den Hörsaal. Nach ca. 1,5 Stunden ist die Vorlesung zu Ende und meistens kommen gleich im Anschluss noch Studenten mit Fragen auf mich zu, zu Vorlesungsinhalten, Prüfungsdetails, benötigen Rat zu Auslandsstudiensemestern usw.. Dann geht es weiter in die nächste Vorlesung. Auf den Gängen trifft man oft weitere Studenten oder Kollegen, mit denen man sich ggf. kurz austauscht und Fragen klärt. Am Nachmittag gibt es außer Vorlesungen oft noch Sitzungen der einzelnen Studienprogramme, in denen man mitarbeitet, Fachgruppensprecher- oder Fakultätsratssitzungen, Sitzungen der Studienkommission, einer Berufungskommission, der AG Internationale Kooperationen usw.. An den vorlesungsfreien Tagen gilt es die Vorlesungen vorzubereiten oder die sehr zahlreichen Emails zu bearbeiten, die zumeist von Studenten oder aus den Selbstverwaltungsgremien kommen, Forschungsfragen alleine oder häufiger in Zusammenarbeit mit anderen nachzugehen, Prüfungsleistungen zu korrigieren, die nächste Auslandsexkursion vorzubereiten oder den nächsten Aktionstag mit Praxisvertretern und Ehemaligen usw..

7. Gibt es Routine in Ihrem Beruf? Wenn ja, worin besteht sie?

Typischerweise wird man die meisten Vorlesungen jedes Semester oder zumindest jedes Jahr wiederholen. Je nach Fachgebiet können diese inhaltlich mehr oder weniger starken Aktualisierungen unterliegen. Auch die anschließende Zeit der Klausurkorrekturen kommt routinemäßig nach jedem Semester. Sitzungen mögen sich in aktuellen Inhalten oder auch in der Zusammensetzung ihrer Mitglieder ändern, eine gewisse Routine ist aber auch hier gegeben.

8. Was ist besonders toll an Ihrem Beruf?

Die Kombination aus Arbeitsinhalt, Freiheit, Sicherheit. a) Ich empfinde es als Privileg, mit jungen, zumeist interessierten Erwachsenen arbeiten zu dürfen und ihnen ein mich sehr interessierendes Fachgebiet schmackhaft machen und vermitteln zu dürfen. b) Der Beruf bringt trotz eines 40 Arbeitsstunden bestimmt nicht unterschreitenden Arbeitsvolumens tolle Freiheiten mit sich, was z.B. die selbstbestimmte Wahl der Arbeitszeiten, z.T. des Arbeitsplatzes und der eigenen Schwerpunktsetzung betrifft. c) Der öffentliche Dienst und die typische Lebenszeitverbeamtung als Hochschullehrer bieten ein hohes Maß an Arbeitsplatzsicherheit. Das Einkommensniveau liegt zwar – je nach Fachgebiet – für viele Hochschullehrer (deutlich) unter dem, was sie alternativ in der Privatwirtschaft hätten verdienen können. Dennoch dürfte es wenige Berufe geben, die bei einem so hohen Maß an Sicherheit und Freiheit zugleich noch ein akzeptables und verlässliches Einkommen gewährleisten.

9. Was gefällt Ihnen nicht so gut?

Natürlich hat der öffentliche Dienst neben dem genannten Vorteil auch Nachteile. Gerade anfangs müssen sich viele an den Einkommensverzicht (incl. mangelnder Einkommensentwicklungsperspektive) gewöhnen, an die Tatsache, dass man keine Sekretariate oder Mitarbeiter mehr für entsprechende Tätigkeiten zur Verfügung hat, jede Reisekostenabrechnung oder sonstige Beantragung von Mitteln aufwendiger ist als viele das aus der Industrie gewohnt waren. Anders als bei anderen Berufswechseln wäre ein Berufswechsel zurück in die Privatwirtschaft mit nennenswerten Verlusten bei der Altersversorgung verbunden. Wer sich diesen Wechsel als Option offen halten möchte, ist eventuell besser beraten Angestellter im öffentlichen Dienst zu werden als die für Hochschullehrer typische Verbeamtung anzunehmen.

10. Was würden Sie anderen Menschen raten, die Ihren Beruf ergreifen wollen?

Man sollte wirklich eine Neigung und Begabung dafür haben, Vorlesungen zu halten. Sonst sind 18 SWS pro Woche eine – im Vergleich zur Uni – nicht zu unterschätzende Lehrleistung, die in jeder Hinsicht sehr anstrengend werden können. Diese Neigung und Begabung sollte man im Vorfeld z.B. durch Übernahme von Lehraufträgen wirklich überprüfen. Nicht unterschätzen sollte man auch, dass die Arbeit nicht mit 18 Stunden Vorlesungen Abhalten während der Vorlesungsmonate getan ist. Manch einer war zu Beginn seiner Tätigkeit als Hochschullehrer doch überrascht, wie lange es dauert, jede Woche neue 18 SWS Vorlesungen wissenschaftlich korrekt, aktuell und didaktisch erfolgreich zusammenzustellen und auf aktuellem Stand zu halten, wie umfangreich die Gremienarbeit der Selbstverwaltung ist oder die Korrekturarbeiten von Klausuren- oder Bachelor- und Masterarbeiten letztlich sind (für die man wie gesagt anders als an der Uni keine wissenschaftlichen Mitarbeiter hat). Wenn man sich hier nicht falschen Illusionen hingibt, ist es aber ein – wie ich finde – einmalig wunderbarer Job (obwohl die an Unis wie an Hochschulen durchaus ausgeprägten Streitigkeiten dies manchmal ein wenig verdecken können).