Interview mit einer Unternehmensberaterin

Geschlecht: weiblich
Arbeitet als: Unternehmensberaterin im Finanzdienstleistungssektor
Alter: 33 Jahre

1. Wann wussten Sie, dass Sie einmal diesen Beruf ergreifen würden?

Nachdem ich nach Abschluss meines Studiums eine Absolventenmesse besucht habe. Allerdings wusste ich schon während der Schulzeit, dass ich gerne etwas Wirtschaftliches machen wollte. Ich hatte immer ein gutes Zahlenverständnis und Spaß an Mathe, außerdem an wirtschaftlichen und politischen Themen. Während der Schule habe ich an einem Unternehmensplanspiel teilgenommen, bei dem man eine Woche lang dafür freigestellt wurde.

2. Wie verlief die Ausbildung?

Nach der Schule habe ich eine Ausbildung bei der Bank gemacht, was sehr schön war. Ich habe viele verschiedene Bereiche kennengelernt, wie z.B. Auslandsgeschäfte, Kreditgeschäft, Wertpapiergeschäft und auch Kundenberatung. Nach der Ausbildung habe ich ein Jahr in der Bank gearbeitet, wobei mich der Bereich Vertrieb/Verkauf am wenigsten interessiert hat. Um mich weiter zu qualifizieren, war mir klar, dass ich studieren wollte: entweder Jura oder BWL. Schließlich ist es BWL geworden. Im Studium waren meine Schwerpunkte Bank/Bankbetriebslehre, Marketing und Finanzwissenschaften. Ich habe mehrmonatige Praktika in London, den USA und in Luxemburg gemacht, denn sichere englische Sprachkenntnisse und inhaltliche berufsspezifische Qualifikationen sind enorm wichtig. Während des Studiums habe ich noch 20% in der Bank gearbeitet und dabei vor allem im Vermögensmanagement für Firmenkunden Aufgaben übernommen. Dabei wurde noch mal deutlich, dass ich zwar gern berate, aber nicht so gern verkaufe. So war ich nach dem Studium auf einer Absolventenmesse. Dort habe ich die Unternehmensberatung kennengelernt, bei der ich bis heute arbeite. Auf der Messe konnte man an workshops teilnehmen und gemeinsam Fallstudien bearbeiten. Aufgrund der Ergebnisse wurde man dann zum Vorstellungsgespräch (mit einer weiteren Fallstudie) eingeladen. In dieser Branche beginnt man in der Regel als Consultant, was bedeutet, dass man innerhalb eines Projektes zunächst Teilaufgaben bekommt, die man selbständig bearbeitet. Das nötige Know-how kann man sich aus internen Quellen beschaffen oder auch Kollegen um Rat fragen. Insgesamt ist es aber so, dass man sich sehr viel selbst erarbeiten muss. Wenn man etwas Erfahrung hat, kann man auch Seminare zu bestimmten Themen besuchen.

3. Welche Inhalte oder Themen haben Ihnen in der Ausbildung, vorher in Schule und Freizeit und jetzt im Beruf besonders viel Spaß gemacht?

  • Schule/Freizeit: Leistungssport (3x pro Woche 2-4h Training plus Wettkämpfe), anderer Sport, lesen, Politik (Radio), Jugendkulturring
  • Ausbildung: Beisitzerin im Jugendkulturring (d.h. Auswahl der Veranstaltungen, Vorbereitung und Begleitung), Zeitung lesen, neue/andere Sportarten: Segeln, Golf

4. Wo arbeiten Sie momentan? 

Unternehmensberatung, die auf Finanzdienstleister spezialisiert ist.

5. Wie verläuft ein typischer Arbeitstag?

Typischer Weise ist man von Montag bis Donnerstag beim Kunden, hat dort ein Projektbüro oder Besprechungsräume und am Freitag arbeitet man im Büro oder im Homeoffice. Jeder hat einen Laptop und einen Blackberry, so dass man örtlich ungebunden ist zum Arbeiten. Selbst bei uns im Büro gibt es keinen festen Arbeitsplatz, sondern „desksharing“, was bedeutet, dass man sich einfach einen freien Schreibtisch aussucht. Die eigenetliche Arbeit besteht in der Projektorientierten Beratung. Kunden, die Beratung suchen machen in der Regel eine Ausschreibung, in der das Problem geschildert wird. Ein Institut wie das unsere präsentiert dann ein Angebot dazu, das auf einem sogenannten „beauty-contest“ präsentiert wird. Der Kunde entscheidet sich dann für das, welches ihm am besten gefallen hat. Wenn wir einen Auftrag bekommen, muss der Teameiter Mitglieder für sein Team suchen. Dazu steht ihm eine Art Datenbank zur Verfügung, der „Kapazitätspool“, in der alle Berater mit Qualifikation und Erfahrungen gelistet sind und zusätzlich steht, ob sie derzeit in Projekten gebunden oder frei sind, um eingesetzt zu werden. Wenn man vor Ort ankommt, werden zunächst relevante Daten angefordert. Das bedeutet, je nach Aufgabenstellung muss man überlegen, was überhaupt abgefragt werden soll. Diese werden dann analysiert und grafisch aufgearbeitet. Dann entwickeln wir Maßnahmen und besprechen sie mit dem Auftraggeber. Schließlich macht man noch eine Umsetzungsplanung. Intern gibt es dann Feedback im Projektteam. In einer Datenbank werden alle Prozesse und Ergebnisse abgelegt, so dass auf sie zurückgegriffen werden kann. Intern gibt es natürlich Hierarchien. Je weiter oben man ist, umso mehr Möglichkeiten hat man, sich Projekte auch aussuchen zu können. Schließlich gehört auch die Zeiterfassung und Abrechnung der Reisekosten zu den Aufgaben, die man noch erledigen muss. Eine normale Arbeitswoche hat in der Regel mindestens 60 h.

6. Gibt es Routine in Ihrem Beruf? Wenn ja, worin besteht sie?

Allenfalls etwas, wenn sich Themen wiederholen, aber jeder Kunde ist anders, daher ist es wirklich fast immer neu.

7. Wie viel Zeit verbringen Sie mit welchen Tätigkeiten?

  • Am Schreibtisch/PC 55%
  • am Telefon: 15%
  • mit Vorbereitung/Recherche/Literatur: 30%
  • davon bei anderen Firmen: mindestens 80%
  • davon mit anderen Menschen: 80%

8. Was ist besonders toll an Ihrem Beruf?

Er ist extrem abwechslungsreich, eine tolle Mischung aus Analytik und Kundenkontakt. Konzepte zu entwickeln gefällt mir sehr, ebenso wie die Tatsache, dass es sich um so viele unterschiedliche Formate handeln kann: eine 1:1 Situation, ein jour fix mit einer bestimmten Gruppe; ein Treffen mit einem Lenkungsausschuss, eine Veranstaltung für Führungskräfte.

9. Was gefällt Ihnen nicht so gut?

Man ist extrem viel unterwegs, was sehr anstrengend und in keinster Weise familienfreundlich ist. Es ist unheimlich schwer, sich sinnvoll und ausgewogen zu ernähren, wenn man keinen richtigen Wohnsitz hat und immer in eine Wohnung mit leerem Kühlschrank zurückkehrt. Man kann keinen regelmäßigen Sport treiben, Freundschaften nur am WE pflegen und bekommt zu wenig Schlaf.

10. Was würden Sie anderen Menschen raten, die Ihren Beruf ergreifen wollen?

Sich von vornherein keine Illusionen darüber machen, dass es eine „Work-life-balance“ gäbe, sondern sich bewusst für diesen Lebens- und Arbeitsstil zu entscheiden. Im Bewusstsein dessen beraterisch zu arbeiten, dass die Zeit auch dem Kennenlernen möglicher Arbeitgeber dienen kann, der inhaltlichen und thematischen Qualifikation und dem Knüpfen eines guten Netzwerkes.